Stellungnahme zum Wort.lu-Artikel “Lügen für die gute Sache?“ vom 17. Mai 2018

Communiqués de presse - mai 18, 2018
Greenpeace hat im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Prozess in Privas gegen 22 Aktivisten, einen Mitarbeiter sowie die Organisation Greenpeace Frankreich, eine Thermografie des Reaktor 2 der Atomzentrale von Cattenom, am Mittwoch 16 Mai 2018, veröffentlicht. Die Thermographie wurde aufgenommen, um herauszufinden ob von den Gebäuden mit den Brennelement-Lagerbecken und anliegenden Gebäuden eine größere Menge an Wärme ausgestrahlt wird.

Der Autor stellt in seinem Wort.lu-Artikel “Lügen für die gute Sache?“ Behauptungen auf, die so nicht stimmen. Es handelt sich hierbei um eine selektive Wahrnehmung des Autors und nicht um ein gefälschtes Thermogramm.

Entgegen der Annahme des Autors  des wort.lu-Artikels wurde die Thermographie nicht zwischen 15 und 17 Uhr gemacht, sondern am 20. April 2017 gegen 19 Uhr. Die Reaktorkuppel und der Kühlturm waren zu diesem Zeitpunkt der Sonneneinstrahlung länger ausgesetzt als der untere Teil des Reaktorgebäudes oder des Gebäudes mit den Brennelement-Lagerbecken.

Georg Dittié, zertifizierter Thermograf (nach EN473, heute die ISO9712) und Autor dieser Thermographie erklärt : “Die Aufnahmebedingungen waren nicht ideal, dennoch gilt es : Thermografien kann man dann machen, wenn die Bedingungen dafür hinreichend sind: Auch tagsüber bei bedecktem Himmel, wenn es keine Wolken, gibt im Schatten oder wenn, wie hier, Wände mit gleicher Ausrichtung zur Himmelsrichtung zum Vergleich zur Verfügung stehen. Das letzte ist hier der Fall, man vergleiche das Abkling-Gebäude mit den parallel verlaufenden Wänden der anderen Technikgebäude. Natürlich kommt es auch darauf an, wie groß der Effekt ist, bei kleineren Temperaturunterschieden würde es weniger Sinn machen eine Thermografie zu erstellen - im Inneren des Abkling-Gebäudes muß es aber, wie man erkennen kann,  schon recht warm sein.

Kurz vor dem Datum der Aufnahme wurde der Kern des Reaktor Nr°2 teilweise mit neuen Brennelementen bestückt und etwa ein Drittel der abgebrannten Brennelemente wurden dem Reaktorkern entnommen und zur weiteren Lagerung ins Brennelement-Lagerbecken überführt. Die abgebrannten Brennelemente weisen ein besonders hohes Inventar der mittel- und langlebigen radioaktiven Spalt- und Aktivierungsprodukte auf und enthalten nach der Entnahme aus dem Reaktorkern eine hohe Nachzerfallswärme.  Auf der Thermographie ist dabei klar zu erkennen, dass aus dem oberen Teil des Gebäudes mit den Brennelement-Lagerbecken eine größere Menge Abwärme austritt.

Entgegen der Aussage im wort.lu-Artikel, basiert die von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie nicht auf falschen Annahmen. In der Studie bewerten sieben unabhängige Sicherheitsexperten, wie alle 58 französischen Reaktoren, die Wiederaufbereitungsanlage in La Hague und sieben belgische Reaktoren geschützt sind. Dabei wurden vier AKW in Frankreich, darunter Cattenom und Fessenheim, sowie  die Reaktoren im belgischen Tihange und Doel gesondert untersucht. Die aus Sicherheitsgründen (in ihrer Gesamtheit) nicht öffentlich zugängliche Studie belegt: Abklingbecken für abgebrannte Brennelemente, in denen die höchste radioaktive Strahlung in einem Atomkraftwerk anfällt, sind kaum geschützt. Sie würden weder einem Flugzeugabsturz, noch einem gezielten Angriff standhalten.

Die bei der ursprünglichen Auslegung, festgelegten Einwirkungen der Anlage Cattenom, erreichen deutlich nicht die in Frankreich für neue Anlagen deterministisch festgelegten Anforderungen. Damit weist die Anlage Cattenom, sowie alle bestehenden französischen Reaktoren, grundsätzlich einen geringen physischen Schutz gegen derartige zivilisatorische Einwirkungen von außen - verglichen mit aktuellen Anforderungen an den in Frankreich im Bau befindlichen EPR - auf.

Im ARTE Dokumentarfilm “Terror: Atomkraftwerke im Visier” (“Sécurité Nucléaire – le grand mensonge”) zeigt Ghislain Quétel – ein ehemaliger Techniker von AREVA La Hague – Bilder auf denen gut zu erkennen ist, dass die Dächer der Gebäude mit den Abklingbecken nicht sehr robust sind.

Bezüglich des Durchmessers der Mauern der Gebäude mit den Brennelement-Lagerbecken, beruft sich der Autor des Wort.lu-Artikels auf eine Aussage des Direktors der Atomzentrale in Cattenom. Der Direktor von Cattenom gibt allerdings nicht an, wie dick die Wände sind. Über den genauen Durchmesser ist eventuell zu streiten. Was die Problematik und Risiken der Brennelement- und Lagerbecken betrifft, ist nach Aussage von Norbert Tangy – ehemaliger Mitarbeiter von EDF und Direktor einer Atomzentrale – der “Alarm von Greenpeace berechtigt” (“L'alerte de Greenpeace est justifiée!”).