Das Klimagrab an unserer Grenze:

Greenpeace Luxemburg demonstriert am Kohletagebau Garzweiler

Actualité - avril 30, 2015

 

Es ist ein regnerischer Samstagmorgen, als Greenpeace-Aktivisten aus Luxemburg sich am Luxemburger Bahnhof verabreden. Strömender Platzregen, doch jeder scheint gut gelaunt zu sein. Es ist 9:00 Uhr, 40 AktivistInnen warten auf den Bus, um mit Greenpeace ins rheinische Kohlerevier zu fahren, was nur 170 Kilometer von Luxemburg entfernt liegt. 

Andernorts sind die Menschen schon früher unterwegs. Sie reisen aus ganz Europa an: Berlin, Dresden, Österreich und Tschechien... . Viele von ihnen sind über Nacht gefahren, ohne viel Schlaf gehabt zu haben. Mit Nachtzügen oder in Reisebussen machen sie sich auf den Weg in Richtung Garzweiler. Dort, am Rande des größten Braunkohletagebaus Europas, laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Streckenposten werden eingeteilt, Bänder für die Menschenkette verteilt, eine Bühne aufgebaut, Busparkplätze eingerichtet, Verkehrsumleitungen eingerichtet. 

Denn hier, im Tagebau Garzweiler, lagert so viel Braunkohle, dass sie allein den deutschen Klimaschutz und das 2-Grad-Klimaziel durch die Kühlturme der nahen Kohlekraftwerke in Rauch aufgehen lassen könnte. Die Zivilgesellschaft hat über die deutschen Grenzen hinaus dazu aufgerufen, dieses zivilisatorische und ökologische Himmelfahrtskommando zu stoppen. In einem breiten Bündnis wollen Campact, BUND, Greenpeace, Klima-Allianz, Naturschutzbund und viele andere an diesem Samstag eine Anti-Kohle-Menschenkette entstehen lassen – an genau der Linie, wo die Bagger stoppen müssten, wenn die Regierung ihre klimapolitischen Beschlüsse ernst nehmen würde.

Auch Greenpeace Luxemburg kommt mit einem Bus mit rund 40 Aktivisten nach Garzweiler, welche an der Menschenkette teilnehmen. Garzweiler? Ein Name, der für uns Menschen aus Luxemburg wenig bekannt ist. Cattenom, die energiepolitische Sackgasse und der Pannenmeiler, ist uns bestens bekannt. Aber Garzweiler… ist den meistens unbekannt. 9:30 Bahnhof Luxemburg:  40 Menschen machen sich auf den Weg um ein Zeichen zu setzen.

   

Der Bus hält an einer Landstrasse, welche als Bushaltestelle für die weit angereisten Fernbusse eingerichtet wurde. Ein einsames gelbes Straßenschild sagt uns, dass es noch zwei Kilometer bis zum Dorf Immerath sind. Die ersten Aktivisten halten sich an der Hand, hier ist der Anfang der Menschenkette. Aktivisten? Hier stehen Familien, Freunde, aus ihren Dörfern Vertriebene, Interessierte, Schüler und Studenten aus allen sozialen- und Altersschichten. 

Wenn man das Dorf Immerrath betritt, fällt einem zuerst nichts Schlimmes auf. Überall liegt Bauschutt herum, neben Strassen befinden sich brachliegende Flächen. Doch warum stehen hier noch immer Schilder mit Strassennamen? Und dann realisiert man es, und es läuft einem eiskalt den Rücken herunter. Hier standen einst Häuser, hier wohnten Familien und spielten Kinder. Alles was übrig geblieben ist, sind Schutt und Asche. Zerstörte Häuser, Ruinen, leerstehende Familienwohnungen: die Umsiedlung ist so gut wie abgeschlossen. Eine verlassene Regionalklinik aus den 1970er Jahren ragt aus dem kargen Boden hervor, als sei sie zur falschen Zeit am falschen Ort aufgetaucht. Vorbei an der leerstehenden Kirche verlassen wir das Dorf, in dem nur noch 10 Menschen den Baggern der RWE trotzen. 

   

Vom Dorf zum Tagebau sind es noch rund 4 Kilometer. Hier stehen schon überall Menschen, die sich an der Hand halten. Es sind Tausende. 

Und genau an dieser Linie, an der Kante des Tagebaus Garzweiler, reichen sich schließlich um 14 Uhr über 6.000 Menschen die Hände – und sagen mit einer bunten, fröhlichen und kraftvollen Menschenkette: Bis hierhin und nicht weiter ! Das ist die größte Anti-Kohle-Kette, die das rheinische Revier, immerhin die größte CO2-Schleuder Europas, bislang gesehen hat ! 

Auch die aus Luxemburg angereisten Teilnehmer machen mit bei der Laola-Welle mit den 6000 angereisten Teilnehmern. Am Ende der Menschenkette kann man es endlich erkennen: Hier verläuft der Tagebau... und dann auf einmal öffnet sich die Erde vor einem, als wäre man von einem Moment auf den anderen zum Mond gereist. Die 170 Meter tiefe Grube erstreckt sich über 50km2 vor einem... ein unvergesslicher Anblick, der nachdenklich macht, und den einen oder anderen auch verängstigt. 

Mit der Klimabewegung ist zu rechnen: Der Abschied von der Braunkohle ist kaum aufzuhalten. 

Und tatsächlich hat die Klimabewegung mit ihrer Kette bereits im Vorfeld so viel Aufsehen erregt, dass an diesem Tag die Bagger, die hinter den Menschen ansonsten die Landschaft verwüsten, wirklich still stehen. Fast zeitgleich zur Menschenkette arbeitet die deutsche Regierung nämlich unter Hochdruck an einem Gesetz, mit dem die ältesten klimaschädlichsten Braunkohle-Kraftwerke bald vom Netz gehen könnten. Wenn sie den Abschied von der Braunkohle einleitet, hat sie den Rückhalt der Bürger/innen. 

 

  


Und weil sie genau diese Botschaft fürchtet, hat die Kohlelobby versucht, uns mit einer Gegendemo in Berlin die Show zu stehlen. Also karrt sie große Teile der Tagebau-Belegschaft in die Hauptstadt – und tut damit genau das, was wir wollen. An diesem einen Tag, dem 25. April 2015, stehen in Garzweiler viele Bagger still. Ein Symbol, das Mut macht. Ein Symbol, das zeigt: Mit der Klimabewegung ist zu rechnen. Und ein Symbol, das zeigt: Der Abschied von der Braunkohle ist kaum aufzuhalten – höchstens gegen den Willen und den Widerstand einer breiten Bürgerbewegung.

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