Höchste Zeit für Hochseeschutz

UN-Verhandlungen für Hochseeschutzgebiete

Actualité - septembre 5, 2018
Nur ein Hundertstel der Hohen See ist geschützt. Die UN verlangt mehr Meeresschutz und erarbeitet darum ein internationales Abkommen. Geschichtsträchtig – wenn es klappt!

An Olive Ridley turtle ( Lepidochelys olivacea ) swims in the open blue ocean of the Pacific, 16th October 2011. Greenpeace is touring the Pacific, promoting marine reserves and conservation measures to protect fish stocks and all marine life. Photo: Paul Hilton / Greenpeace
© Paul Hilton / Greenpeace

Rechtlich gesehen hat auf einen großen Teil der Weltmeere niemand Anspruch – nur im küstennahen Teil des Meeres, das heißt, bis zu 200 Seemeilen vom Land entfernt, hat der angrenzende Staat gewisse Hoheitsrechte. Hinter der sogenannten „Ausschließlichen Wirtschaftszone“ beginnt die Hohe See. Sie umfasst zwei Drittel der gesamten Ozeane und gehört niemandem – und damit letztlich allen.

Das ist ein Problem, aber auch eine Verpflichtung. Wenn in Hochseegebieten Ölindustrie und Großfischerei nicht ungehindert Leben und Bodenschätze ausbeuten sollen, braucht es viele Schutzzonen fernab der Küsten. Bislang ist lediglich ein Hundertstel der Hohen See auf diese Weise geschützt.

Das hat einen Grund: Bisher gibt es kein globales Regelwerk zur Errichtung und Kontrolle von Meeresschutzgebieten auf der Hohen See. Das geltende Seerecht konzentriert sich viel mehr auf die Nutzung der Ozeane als auf deren Schutz. Deshalb arbeiten Vertreter internationaler Regierungen unter dem Dach der Vereinten Nationen mit dem Ziel, ein weltweites Abkommen zu entwerfen – ähnlich dem Pariser Klimaschutzvertrag, aber für den Erhalt gesunder Weltmeere.

Erste Runde in New York

Das mit dem Dach ist durchaus wörtlich gemeint: Vom 4. bis zum 17. September 2018 verhandeln internationale Delegationen im UN-Hauptquartier in New York in der ersten von vier Runden, wie der Vertrag aussehen wird. Sandra Schöttner, Greenpeace-Expertin für Meere, ist mit einer internationalen Gesandtschaft der Umweltschutzorganisation ebenfalls vor Ort, beobachtet die Gespräche und spricht mit Vertretern der beteiligten Regierungen. Die Erwartungen an das Treffen sind hoch. „Die internationale Staatengemeinschaft muss schon in dieser ersten Verhandlungsrunde die Weichen für ein starkes Abkommen stellen“, sagt Schöttner. „Sonst verlieren wir den größten Lebensraum unseres Planeten, bevor wir ihn überhaupt richtig kennengelernt haben.“

Tatsächlich ist der Meeresgrund weniger erforscht als die Mondoberfläche. Die Ozeane außerhalb staatlicher Hoheitsgebiete sind riesig und wimmeln vor Leben: von winzigem Plankton hin zu majestätischen Buckelwalen; hier leben Schildkröten, Haie und Delfine, Korallenriffe bieten Lebensräume am Boden des Ozeans. Dieses Leben gilt es zu schützen – und unser eigenes. Winzige Algen und Bakterien im Meer produzieren rund 50 Prozent des Sauerstoffs in der Atmosphäre – mit jedem zweiten Luftholen atmen wir ein, was die Ozeane produzieren. Umso wichtiger ist es sicherzustellen, dass die Weltmeere ein gesundes Ökosystem bilden.

Greenpeace activists fly a giant turtle kite outside the United Nations headquarters in New York as countries gathered to begin negotiations, for the first time in history, towards a treaty covering all oceans outside of national borders.  The large and colorful kite, representing iconic marine life, was flown from boats on the East River., 8.18.95.UN Ocean Kite
© Stephanie Keith / Greenpeace
New York am 4. September: Greenpeace-Aktivisten werben auf dem East River für ein globales Abkommen zum Schutz der Hohen See. Das Gebäude, auf dem die Sonne steht, ist das UN-Hauptquartier.

Ozeane unter Stress

Dafür müssen aber umgehend Maßnahmen in Kraft treten. Die Ozeane sind bereits schwer angeschlagen, durch Plünderung und Verschmutzung durch den Menschen; Kohlenstoffdioxid, das aus der Atmosphäre aufgenommen wird, versauert die Meere. Mit einem knappen Drittel der Weltmeere unter Schutz könnte die Menschheit Schlimmeres verhindern, besser wären 40 Prozent. „Nur so können sich Flora und Fauna erholen und ganze Ökosysteme in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel gestärkt werden“, sagt Schöttner.

Was die Erderhitzung mit dem empfindlichen Lebensraum Meer anstellt, ist dabei nicht restlos geklärt – aber steigende Temperaturen sind für die Ozeane gewiss schlechte Nachrichten: „Was es letztlich bedeutet, wenn beispielsweise an den Polkappen Eisschilde aus Süßwasser schmelzen, Kaltwassermassen nicht mehr richtig absinken können, und sich so die globalen Meeresströmungen verändern, können wir nur erahnen.“

Seit Langem setzt sich Greenpeace vor und hinter den Kulissen für ein weltweites Abkommen zum Schutz der Hohen See ein. Eine informelle Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen arbeitet bereits seit zehn Jahren an einem Entwurf, auf Druck von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace wurde das Projekt nun endgültig auf die Tagesordnung gesetzt. Über zwei Jahre wird nun ein solcher Vertrag ausgehandelt, an dessen Ende 2020 hoffentlich ein ehrgeiziges Bekenntnis zum Meeresschutz steht.

Article Source : Greenpeace Deutschland