Nationaler Aktionsplan Pestizide 2.0

Wann ist endlich Schluss mit Pestiziden in Umwelt und Lebensmitteln ?

Communiqués de presse - juillet 14, 2016
Kockelscheuer, 14. Juli 2016 – Für natur&ëmwelt und Greenpeace wird auch der zweite Entwurf des Nationalen Aktionsplans Pestizide, der im Mai vom Landwirtschaftsministerium veröffentlicht wurde, den Anforderungen in keinster Weise gerecht. Der Aktionsplan befindet sich bis Ende Juli in der öffentlichen Konsultationsphase. natur&ëmwelt und Greenpeace appellieren eindringlich an Landwirtschaftsminister Fernand Etgen, die Forderungen, die beide Organisationen bereits 2014 vorgelegt hatten, endlich im Aktionsplan festzuschreiben. Statt unverbindlicher Absichtserklärungen braucht es vor allem konkrete und ambitiöse Reduktionsmaßnahmen, ein Verbot besonders gefährlicher Pestizide und die Förderung pestizidfreier und ökologischer Methoden in der Landwirtschaft und im öffentlichen Bereich.

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Der zweite Entwurf des Nationalen Aktionsplans Pestizide dokumentiert, in welch besorgniserregendem Umfang die Gewässer und die Artenvielfalt in Luxemburg durch den Einsatz von Pestiziden belastet werden (1). Selbst in Lebensmitteln, die in Luxemburg angebaut werden, lassen sich Pestizidrückstände nachweisen (2). Eigentlich Gründe genug, einen ambitiösen Aktionsplan vorzulegen, um den Einsatz von Pestiziden hierzulande zu verringern.

 

natur&ëmwelt und Greenpeace müssen leider zu der Feststellung kommen, dass die Regierung den dringenden Handlungsbedarf immer noch nicht erkannt hat. Bereits 2014 hatten beide Organisationen die erste Fassung des Aktionsplans analysiert und ausführlich dazu Stellung bezogen. Nun, zwei Jahre später, liegt eine überarbeitet Version vor. Ein Vergleich der beiden Versionen des Aktionsplans macht deutlich, dass bis auf wenige Ausnahmen die aktuelle Fassung quasi identisch mit der Fassung von 2014 ist. Die Forderungen der beiden Organisationen blieben bislang fast völlig unberücksichtigt.

Rund 40% der 241 Wirkstoffe, die in Luxemburg genehmigt sind, stehen auf sogenannten „Schwarzen Listen“ (3). natur&ëmwelt und Greenpeace verlangen Verbote für besonders gefährliche Pestizide und ein generelles Pestizidverbot im Privatbereich. Damit der Einsatz der Pestizide in der Landwirtschaft effektiv verringert werden kann, führt für beide Organisationen kein Weg daran vorbei, eine Strategie mit konkreten Zielen, Zahlen, Zeitplänen und Maßnahmen auszuarbeiten. Dies gilt auch für das beim Menschen als möglicherweise krebserregend geltende Herbizid Glyphosat, dessen europaweite Verwendung Ende Juni erneut um bis zu 18 Monate verlängert wurde.

 

Pestizide im Trinkwasser und in Lebensmitteln, das Bienensterben und der dramatische Verlust der Biodiversität in Luxemburg sind Aspekte derselben Gesamtproblematik, nämlich einer intensiven Landwirtschaft, wie sie auch hierzulande betrieben wird. Wenn die Regierung es ernst meint und einen effektiven Nationalen Aktionsplan Pestizide vorlegen will, muss sie auch den längst überfälligen Paradigmenwechsel hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft einleiten. Dazu gehört, dass prioritär der biologische Landbau, der ohne synthetische Spritzmittel auskommt, gefördert werden muss.

 

Eine Voraussetzung, um die Wirksamkeit des Aktionsplans auch von unabhängiger Seite zu bewerten, ist die Veröffentlichung der Pestizidverbrauchszahlen. natur&ëmwelt und Greenpeace kritisieren, dass diesbezüglich völlige Intransparenz herrscht. Obwohl Informationen über die in Luxemburg eingesetzten Pestizide und deren Wirkstoffe existieren, werden diese unter Verschluss gehalten. Selbst die Daten, die Luxemburg an das statistische Amt der EU Eurostat übermittelt, sind nicht aktuell: für viele Kategorien von Pflanzenschutzmitteln sind Zahlen nur bis zu den Jahren 2012/ 2013 bekannt.

 

Für natur&ëmwelt und Greenpeace ist klar: als erster Schritt muss Klarheit darüber geschaffen werden, welche Pestizide in welchen Mengen eingesetzt werden. Deshalb fordern sie Landwirtschaftsminister Etgen auf, die Pestizidverbrauchs- bzw. -verkaufsdaten umgehend zu veröffentlichen. Gegebenenfalls wollen natur&ëmwelt und Greenpeace den Zugang zu diesen Informationen einklagen.

(1) Nicht nur das Trinkwasser des Stausees ist durch Verunreinigungen mit Pestiziden belastet. Ein Untersuchungsprogramm kommt zu dem Schluss, dass in Luxemburg im Jahr 2012 55% des untersuchten Trinkwassers resp. der Trinkwasserquellen mit Pestizidrückständen verunreinigt waren (Zones de protection autour du captage d'eau souterraine destinée à la consommation humaine, Conseil supérieur pour la protection de la nature et des ressources naturelles, 2013)

 

Der Pestizideinsatz ist ebenfall mitverantwortlich für den Rückgang der Artenvielfalt in Luxemburg: neben den Zielorganismen werden auch Nützlinge reduziert und der Einsatz von Herbiziden auf Grünland und Äckern drängt die Arten der Beikräuter sehr stark zurück. Der Rückgang der biologischen Vielfalt ist in der Agrarlandschaft besonders ausgeprägt. In den letzten 30 Jahren hat die Biodiversität in Luxemburg in einem besorgniserregenden Maße abgenommen. 27% der Gefäßpflanzen, 54,8% der Säugetiere, 41,5% der Vögel, 33% der Reptilien, 61,5% der Amphibien und 62% der Fische in Luxemburg sind bedroht. Besonders hohe Verluste haben in diesem Zeitraum Feuchtgebiete (-80%), Trockenrasen

(-34,9%) und Obstwiesen (-58,5%) erfahren.

 

(2) Campagne de contrôle des teneurs en résidus de pesticides dans les produits d’origine végétale (fruits, légumes, céréales, pots bébé) et produits d’origine animale (produits laitiers, viande de porc), Ministère de la Santé 2013

http://www.securite-alimentaire.public.lu/organisme/pcnp/sc/cs9_prod_phyto/ppp_residus_pesticides/Rapport-annuel-sur-les-campagnes-de-controle/index.html

 

(3) PAN International List of Highly Hazardous Pesticides, Pesticide Action Network International, 2011; Schwarze Liste der Pestizide II, Greenpeace Deutschland, 2010