Anläßlich der Parlamentsdebatte zum «Paquet Klima» und zum «Klimapartenariat» demonstrierten heute nachmittag Vertreter von 29 Nichtregierungsorganisationen vor der Abgeordnetenkammer gegen die Klimapolitik der Regierung.
Votum Klima beurteilt die Klimapolitik der Regierung als
unzureichend. Die Vertreter der 30 NGOs fordern eine echte
Klimaschutzstrategie für das Land mit klaren Reduktionszielen für
die Sektoren Energie, Industrie, Gebäude, Transport und
Landwirtschaft. Ausserdem appellierten sie an die politisch
Verantwortlichen, dass Luxemburg ein unilaterales europäisches
Reduktionsziel von -30% bis 2020 unterstützen muss.
Besondere Kritik übten die NGOs an der Tatsache, dass die
Regierung nach wie vor die meisten Emissionsreduktionen, zu denen
Luxemburg sich verpflichtet hat, über den Kauf von Emissionsrechten
im Ausland erledigen lassen will. Hierfür will die Regierung bis
2012 360 Millionen Euro ausgeben - Gelder, die uns für strukturelle
Änderungen auf nationaler Ebene und für Klimaschutzaktivitäten in
den Gemeinden fehlen werden. Für Votum Klima ist dies ein
Teufelskreis, denn diese Praxis wird dazu führen, dass Luxemburg
auch in Zukunft immer weiter gezwungen sein wird, diese Gelder für
den Einkauf von Emissionsrechten auszugeben, da sich die
inländische Klimabilanz nicht substantiell verbessern wird!
Die Regierung hat keine Strategie für ein klimafreundlicheres
Luxemburg
Nach den Parlamentswahlen in Luxemburg 2009 wurden große
Erwartungen an das neue Superministerium für Nachhaltigkeit
geknüpft. Mit dem Klima-Partenariat wurde auch ein erster Schritt
in die richtige Richtung getan. Votum Klima begrüßt ausdrücklich
das Klimapartenariat. Aber das bisherige Resultat des
Klimapartenariats bewerten wir insgesamt als enttäuschend: statt
einer Strategie mit klaren Zielvorgaben in den Sektoren Energie,
Industrie, Gebäude, Transport und Landwirtschaft gibt es bislang
lediglich eine Reihe von mehr oder weniger zusammenhanglosen
Einzelmaßnahmen. Doch das Aufaddieren dieser einzelnen Maßnahmen
und den Ausgleich des Restes durch Einkauf von Emissionsrechten ist
keine verantwortungsvolle Strategie, hat keine Perspektive und hält
den Klimawandel nicht auf.
Die Naturgesetze sind jedoch nicht verhandelbar. Wenn wir die
globale Erwärmung unter dem Wert von 2 Grad Celsius begrenzen
wollen, müssen die Industrienationen ihre Emissionen um mindestens
40% bis 2020 und um 80-95% bis 2050 zu reduzieren. Jedes Land muß
dabei den Beitrag bringen, der seiner Verantwortung und seinen
Fähigkeiten entspricht. Wir brauchen daher einen «Top-Down»-Ansatz,
der von den naturwissenschaftlich notwendigen
Treibhausgas-Einsparungen ausgehend den Anteil Luxemburgs an der
Lösung dieses globalen Problems als Ziel festlegt und dann klare
Teilzeile, zeitliche Etappen und Leitplanken für Sektorpolitiken
formuliert. Dazu gehört auch festzulegen, welchen Anteil wir im
Inland erreichen können und wollen und wieviel wir an Rechten
zukaufen.
Ohne eine solche Strategie wird Luxemburg in zehn bis zwanzig
Jahren vor gewaltigen Problemen stehen. Denn wer notwendige
Transformationsprozesse unserer Gesellschaft und Wirtschaft heute
nicht behutsam in die Wege leitet, muss sie dann desto schneller
und rücksichtsloser umsetzen.
Luxemburgs Einkaufspolitik von Emissionsrechten: ein
Geldausgeben ohne absehbares Ende
Die Praxis des für die Klimapolitik federführenden
Nachhaltigkeitsministeriums besteht darin, einzelne Maßnahmen zu
fördern, ohne zu wissen, wieviel diese zusammen an Einsparungen
erbringen werden. Der überwiegende Teil der Emissionsreduktionen,
schätzungsweise 85-90% innerhalb der Kyoto-Periode von 2008-2012,
muss somit über den Emissionshandel eingekauft werden, damit
Luxemburg auf dem Papier die Kyoto-Ziele erreichen kann. Nur
schätzungsweise 10-15% werden inländisch erzielt, wobei noch offen
ist, wieviel davon tatsächlich durch Klimaschutzmaßnahmen erreicht
und wieviel durch die Wirtschaftskrise hervorgerufen wurde.
Dies hat dazu geführt, dass bis Ende 2010 124 Millionen € für
den Kauf von ca. 10 Millionen Tonnen Emissionsrechten ausgegeben
wurden. Wenn dies so weitergeht wie geplant, werden es bis Ende
2012 um die 360 Millionen € sein, also 700 € pro Einwohner. Damit
ist Luxemburg das Land der EU mit den weitaus höchsten
Pro-Kopf-Ausgaben für Emissionsrechte.
Aber der ungebrochene Einkauf von Emissionsrechten nagelt uns in
der Abhängigkeit vom Öl und anderen fossilen Brennstoffen fest -
von Ressourcen, die immer knapper und teurer werden und deren
Verfügbarkeit immer unberechenbarer wird. Es ist ein Geldausgeben
ohne Perspektive und absehbares Ende, denn wir werden uns immer
weiter freikaufen müssen. Mit Nachhaltigkeit, Klimaschutz und
Klimagerechtigkeit hat dies nicht das Geringste zu tun.
Schützen wir so das Klima?
NEIN! Denn Emissionsrechte sind per Definition ein
Null-Summenspiel, und dies auch nur im Idealfall: Für ein
Emissionsrecht von einer Tonne Treibhausgase, das Luxemburg im
Ausland eingekauft hat, können wir in Luxemburg eine Tonne
Treibhausgase zusätzlich in die Luft jagen. Sollen doch die
Chinesen Windmühlen bauen - wir heizen weiter mit Mazout! In der
Praxis sind aber viele Projekte, die Emissionsrechte für uns
erzeugen, «faul»: CDM -Projekte (2), die sowieso gebaut worden
wären, Projekte von Öl- und Gaskonzernen, die deren Effizienz und
Profit erhöhen und Umweltgesetze verhindern, und jede Menge «Heiße
Luft» (2) mit ungedeckten Klimaschecks aus den neuen
EU-Mitgliedsstaaten.
Fehlende Transparenz
Generell fehlt es der Luxemburger «Klimapolitik» an
Transparenz. Es werden weder die Mengen der eingekauften Rechte und
ausgegebenen Gelder auf der Website des Nachhaltigkeitsministeriums
veröffentlicht noch dürfen Beobachter an den Sitzung des
Kyoto-Komitees teilnehmen. Transparenz und Information der
Öffentlichkeit sind aber Grundvoraussetzungen für Akzeptanz und
Partizipation und generell für eine nachhaltige Entwicklung.
Other contacts:
Dietmar Mirkes, ASTM,
Martina Holbach, Koordinatorin Votum Klima, Tel. 621 23 33 62
Notes:
(1) Aide à l’Enfance de l’Inde, Aktioun Öffentlechen Transport, Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés (ASTI), Action Solidarité Tiers Monde (ASTM), Attac, bioLABEL, Église Catholique à Luxembourg, Bridderlech Deelen, Caritas Luxembourg, Cercle de Coopération, Conférence Générale de la Jeunesse Luxembourgeoise, Committee de Liaison des Associations Etrangers (CLAE), Demeter Bond Lëtzebuerg, Etika, European Antipoverty Network, Eurosolar Lëtzebuerg, Frères des Hommes, Greenpeace Luxembourg, Handicap International, Commission Justitia et Pax, Lëtzebuerger Velos-Initiativ, Mouvement Écologique, natur&ëmwelt (d´Haus vun der Natur, Fondation Hëllef fir d’Natur, Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga, Natura), SOS Faim Luxembourg, TransFair-Minka, UNICEF
(2) Weitere Informationen zu den CDM-Projekten (Clean Development Mechanism) und zu den «Heisse Luft»-Geschäften siehe die auch die Dokumentation «Fakten zum Luxemburger Einkauf von Emissionsrechten»