Ein Reduktionsziel von minus 30% bis 2020 ist, entgegen den
Darstellungen einiger energieintensiver Industrien, keine Gefahr,
sondern eine Notwendigkeit für Europa. Die EU-Kommission schreibt
in der Zusammenfassung ihrer Studie:
"The implementation of policies to cut greenhouse emissions is
acting as one of the key drivers for the modernisation of the EU
economy, directing investment and innovation to sectors with huge
potential for growth and employment in the future. As set out in
the Europe 2020 strategy, it is one of the core themes in any
credible strategy to build sustainable prosperity for the
future."
Die Notwendigkeit verstärkter Klimaschutzanstrengungen und deren
Vorteile für die Zukunft Europas sind offensichtlich: Klimaschutz
ist der Motor für die Modernisierung der EU-Wirtschaft, für direkte
Investitionen und Innovationen in Bereichen mit hohem Wachstums-
und Arbeitsplatzpotential. Wie bereits die Strategie "Europe 2020"
darlegt, ist Klimaschutz eines der Kernthemen in einer
glaubwürdigen Strategie zur Schaffung von nachhaltigem Wohlstand
für die Zukunft.
Die EU-Kommission geht davon aus, dass die EU die im Jahr 2008
beschlossene Verringerung der Treibhausgasemissionen von minus 20%
bis 2020 allein durch inländische Maßnahmen erreichen wird. Die
Gründe hierfür sind vielfältig: vor allem die wirtschaftliche
Rezession, gestiegene Energiekosten und eine geringere
Energienachfrage, aber auch der Zuwachs bei Erneuerbaren Energien
und Energieeffizienz-Maßnahmen. Die Kosten werden mit 48 Milliarden
Euro deutlich niedriger geschätzt als die im Jahre 2008
prognostizierten 70 Milliarden Euro.
Die EU-Kommission warnt jedoch davor, sich auf diesem
scheinbaren Erfolg auszuruhen. Es besteht die Gefahr, dass ab 2020
die Reduzierung der klimaschädlichen Gase nur noch langsam, zu
langsam, vorankommt. Ohne strengere Klimaschutzziele bleiben die
notwendigen Investitionen in energie- und kohlenstoffarme
Technologien und Erneuerbare Energien aus, unter anderem bedingt
durch die Wirtschaftskrise, die massive Anhäufung von
Gratis-Emissionsrechten bei den energie- und kohlenstoffintensiven
Industrien des ETS-Sektors und dem daraus resultierenden niedrigen
Kohlenstoffpreis.
Gerade jetzt ist es umso wichtiger, beim Klimaschutz ambitiöse
Ziele zu beschließen.
Die Studie der EU-Kommission kommt zu dem Schluss, dass eine
Erhöhung des Klimaschutzzieles von minus 20% auf minus 30% bis 2020
eine Vielzahl bedeutender Vorteile mit sich bringt, sowohl aus
Sicht des Klimaschutzes als auch aus volkswirtschaftlicher
Sicht:
- Einhaltung langfristiger Klimaschutzziele
Ein EU-Reduktionsziel von lediglich 20% bis 2020 ist nicht im
Einklang mit den aus wissenschaftlicher Sicht notwendigen
Reduktionen bei den Treibhausgasemissionen. Damit die globale
Temperaturerhöhung von 2°C nicht überschritten wird, müssen die
Industrienationen bis 2020 ihre Emissionen um mindestens 40%, bis
2050 sogar um 95% reduzieren. Selbst bei einem Temperaturanstieg
von 2°C schätzen die Vereinten Nationen, dass bis 2050 mehr als 200
Millionen Menschen ihre Dörfer, Städte, Inseln oder Landstriche
verlassen müssen, dass 30 Millionen Menschen mehr an Hunger leiden
werden und dass 2-3 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem
Wasser haben werden.
Je schneller die EU weitreichende Emissionsreduktionen
beschließt, umso einfacher und kostengünstiger wird die Einhaltung
langfristiger Klimaschutzziele. Laut Berechnungen der
Internationalen Energieagentur (IEA) steigen die globalen Kosten
mit jedem Jahr, in denen Investitionen in energieeffiziente
Technologien verschoben werden, um 300-400 Milliarden Euro.
- Größere Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern
Bereits im Jahr 2008 hatte die IEA davor gewarnt, dass bereits
in wenigen Jahren mit steigenden Energiekosten zu rechnen ist,
bedingt durch eine steigende Nachfrage nach Öl bei anziehender
Konjunktur, verbunden mit einem nicht ausreichenden Angebot an Öl.
Die drohende Knappheit an Öl und eine prognostizierte deutliche
Steigerung der Energiekosten werden die Haushalte und die
europäischen Volkswirtschaften empfindlich belasten.
Ambitiöse Klimaschutzziele führen zu einer Verringerung des
Energieverbrauchs und damit zu einer Verringerung unserer
Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Die EU-Kommission schätzt,
dass ein Reduktionsziel von minus 30% bis 2020 zu Einsparungen bei
den Energiekosten von 40 Milliarden Euro im Jahr 2020 führt.
Langfristig ist eine verminderte Abhängigkeit von fossilen
Rohstoffen auch ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Armut,
denn insbesondere Erdöl importierende Entwicklungsländer werden von
den Preiserhöhungen des Rohstoffs Erdöl besonders hart getroffen
und in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zurückgeworfen.
- Impuls für Innovation und Kompetitivität des
Wirtschaftsstandorts Europa
Es besteht mittlerweile ein genereller Konsens, dass die
Entwicklung ressourceneffizienter und grüner Technologien ein
wichtiger Motor für die Wirtschaft ist. Das EU-Programm "Europa
2020" hat als Kernaussage, dass sich die wirtschaftliche Basis
Europas zu einer nachhaltigen Wirtschaft entwickeln und die Chancen
der grünen Technologien nutzen muss.
Die EU-Kommission mahnt in ihrer Studie an, dass der Vorsprung
Europas bei den grünen Technologien zusehends von anderen
Wirtschaftsnationen wie China, den USA und Indien eingeholt wird.
Europas Führungsrolle in diesen wichtigen Märkten wie z.B. bei der
Windenergie oder bei der Photovoltaik droht, verloren zu gehen.
Hunderttausende neuer Arbeitsplätze könnten im Bereich von
Energieeffizienztechnologien und bei den Erneuerbaren Energien
entstehen. Ein Reduktionsziel von minus 30% würde einen
entscheidenden Impuls für eine solche Entwicklung geben.
- Kostenverringerung bei Luftreinhaltung und
Gesundheitsausgaben
Die EU-Kommission schätzt die zusätzlichen Kostenverringerungen
bei Luftreinhaltung und im Gesundheitsbereich aufgrund eines
ambitionierten Klimaschutzes auf 3 Milliarden Euro bzw. 3,5-8
Milliarden Euro (im Jahr 2020).
Eine Erhöhung auf minus 30% wäre für die EU mit verhältnismäßig
geringen Mehrkosten verbunden: 81 Milliarden Euro, das sind 11
Milliarden Euro mehr als 2008 für das 20%-Ziel veranschlagt.
Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Auswirkungen einer
Erhöhung des Reduktionsziels auf die europäische Industrie
insgesamt gering bleiben. Zwar gibt es einige wenige
Industriesektoren, für die ein unilaterales 30%-Ziel zu
Wettbewerbsnachteilen führen könnte, doch sieht die EU-Kommission
geeignete Mittel, die hiervon potentiell betroffenen Industrien zu
unterstützen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass
einer rezenten Analyse (2) zufolge gerade diese energieintensiven
Industrien in den vergangenen Jahren aufgrund der Gratiszuteilung
von Emissionsrechten und der Weiterleitung von deren scheinbaren
Kosten an die Verbraucher so genannte "Windfall Profits" in einer
Höhe von schätzungsweise 14 Milliarden Euro erzielt haben. Wir
halten es für durchaus gerechtfertigt, dass diese völlig
unberechtigt erzielten Gewinne von den Industrien für
Modernisierungs- und Energieeffizienzmaßnahmen eingesetzt werden
sollten.
Sehr geehrter Herr Premierminister,
anlässlich einer Unterredung Ende Januar hatten Sie uns bereits
versichert, dass Luxemburg eine Erhöhung des EU-Reduktionsziels auf
minus 30% bis 2020 unterstützen wird. Die in der Initiative "Votum
Klima" zusammengeschlossenen Organisationen (3) begrüßen Ihre
Position ausdrücklich.
Wir würden es für außerordentlich wichtig erachten, wenn Sie
sich bei diesem EU-Gipfel für eine unilaterale Erhöhung des
EU-Reduktionsziels von minus 20% auf minus 30% bis 2020 einsetzen
würden. Ein solcher Schritt wäre ein wichtiger Schritt für eine
nachhaltige Entwicklung Europas und ein positives Signal für die
kommenden UN-Klimaschutzverhandlungen Ende des Jahres in
Cancun.
Hochachtungsvoll,
Martina Holbach
Koordination Votum Klima
Notes:
(1) Analysis of options to move beyond 20% greenhouse gas emission reductions and assessing the risk of carbon leakage, Communication from the Commission to the Council, the European Parliament, the European Economic Committee and the Committee of the Regions, 26 May 2010
(2) CE Delft (2010), Does the energy intensive industry obtain windfall profits through the EU ETS? www.ce.nl/publicatie/does_the_energy_intensive_industry_obtain_windfall_profits_through_the_eu_ets/1038
(3) Aide à l’Enfance de l’Inde, Aktioun Öffentlechen Transport, Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés (ASTI), Action Solidarité Tiers Monde (ASTM), Attac, bioLABEL, Église Catholique à Luxembourg, Bridderlech Deelen, Caritas Luxembourg, Cercle de Coopération, Conférence Générale de la Jeunesse Luxembourgeoise, Committee de Liaison des Associations Etrangers (CLAE), Demeter Bond Lëtzebuerg, Etika, European Antipoverty Network, Eurosolar Lëtzebuerg, Frères des Hommes, Greenpeace Luxembourg, Handicap International, d´Haus vun der Natur, Fondation Hëllef fir d’Natur, Commission Justitia et Pax, Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga, Lëtzebuerger Velos-Initiativ, Mouvement Écologique, Natura, SOS Faim Luxembourg, TransFair-Minka, UNICEF