Das Moratorium für den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen endet 2017. Vieles spricht für ein generelles Verbot, aber Wirtschaft und Wissenschaft stemmen sich vehement dagegen.

Essay von Luigi D’Andrea, Geschäftsführer, und Fabien Fivaz, Präsident von StopOGM

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Bern-Zürich, 24. August 2009: An der Bahnstrecke Bern-Zürich haben Greenpeace-Aktivisten im April den Schriftzug gentechfrei gesät. Dieser ist mittlerweile gewachsen und gut sichtbar. Greenpeace fordert damit eine Verlängerung des Schweizer Anbau-Moratoriums von Gentech-Pflanzen. © Greenpeace / Thomas Stutz

 

 Die Auseinandersetzung um die Weiterführung oder Aufhebung des Schweizer Moratoriums für den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) wird wieder aktuell. 2005 hatten die Schweizer Stimmberechtigten in allen Kantonen mit grosser Mehrheit ein fünfjähriges Moratorium für den kommerziellen Anbau von Gentechpflanzen angenommen, gegen den Willen von Parlament und Bundesrat. Das Moratorium wurde 2010 erstmals bis Ende 2013 verlängert und nun erneut bis Ende 2017. Die erste Verlängerung sollte den Abschluss und die Analyse der Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms NFP 59 über Nutzen und Risiken der Freisetzung von GVP ermöglichen. Mit der zweiten Verlängerung verlangt das Parlament bis Ende 2016 eine Kosten-Nutzen-Analyse über gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und gibt sich die Zeit, allenfalls ein Gesetz über die Koexistenz zu erlassen, um den gleichzeitigen Anbau konventioneller und gentechnisch veränderter Pflanzen zu regeln.

Die politische Stimmung ist für Gentechpflanzen denkbar ungünstig. Die Bevölkerung und die Bäuerinnen und Bauern sind mehrheitlich dagegen. Auch setzen alle landwirtschaftlichen Strategien des Bundes auf Qualität, womit GVO faktisch ausgeschlossen sind (bei vielen Schweizer Labels ist das bereits der Fall). Nun hat der Bundesrat Anfang Jahr ein Paket von gesetzgeberischen Änderungen in die Vernehmlassung geschickt, das den Anbau von GVO nach Ablauf des Moratoriums im Jahr 2018 ermöglichen soll. Es geht um eine Revision des Gentechnikgesetzes, die einen gesetzlichen Rahmen für gentechnikfreie Zonen schafft. Weiter soll eine Koexistenz-Verordnung erlassen werden betreffend die Bedingungen des Anbaus (Isolationsabstand zwischen konventionellen und gentechnisch veränderten Kulturen usw.).

Mit Ausnahme der Wirtschaft weisen sämtliche Stellungnahmen im Rahmen der Vernehmlassung die Aufhebung des Gentech-Verbots zurück. Die meisten Kantone, sowie die Landwirtschafts-, Umweltschutz- und Konsumentenverbände wollen gar nicht erst auf die Vorlage eintreten. Aus ihrer Sicht sollte der Bundesrat auf sein Vorhaben verzichten: Die kleinräumige und heterogene Struktur der Schweizer Landwirtschaft, die Ausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion auf Qualität statt auf Quantität, die Kostensteigerung durch eine allfällige Einführung von GVO und die ablehnende Haltung der Konsumentinnen und Konsumenten sprechen gegen die Zulassung von Gentechpflanzen. Rein technisch werden die vorgeschlagenen Isolationsabstände als ungenügend beurteilt. Zudem verlangen die meisten Kantone die Möglichkeit, GVO auf ihrem Kantonsgebiet ganz zu verbieten, was im derzeitigen Entwurf nicht vorgesehen ist. Aus der Sicht von StopOGM geht es nicht an, dass grundsätzlich eine Koexistenz von GVO und konventionellen Pflanzen eingeführt wird, wobei die Möglichkeit besteht, einfach gentechnikfreie Zonen auszuscheiden. Vielmehr muss die ganze Schweiz gentechnikfreies Gebiet bleiben. StopOGM schliesst sich der Meinung der Eidgenössischen Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) an: Die Wahlfreiheit ist demnach kein Anspruchsrecht, sondern ein Abwehrrecht. Abwehrrecht bedeutet, dass der Staat nicht verpflichtet ist, für die Möglichkeit des Anbaus von GVP zu sorgen. Im Gegenteil: Landwirtschaftsbetriebe, die GVP anbauen wollen, sollen die Schaffung von Gentech-Zonen begründen müssen.

Somit steht ein definitives Verbot von GVO in der Schweiz erneut auf der Tagesordnung. Falls der Bundesrat auf seiner Absicht beharrt und eine Mehrheit im Parlament findet, stellt sich die Frage nach der Lancierung einer entsprechenden Initiative als Gegenmassnahme.

 

Wissenschaftliche Offensive für Gentech

«GVO stellen weder für die Gesundheit noch für die Umwelt ein Risiko dar», verkündete der Schlussbericht des NFP 59 lauthals. Aber wie stichhaltig ist diese Aussage? Beim NFP 59 wurden die Versuche im Bereich der Biosicherheit mehrheitlich mit Weizensorten und frühen, nicht kommerzialisierten Genmaissorten durchgeführt, und zwar unter experimentellen Bedingungen, die nichts mit der Realität zu tun haben. Die Erkenntnisse aus kleinräumigen, kurzfristigen Versuchen sind nicht auf den grossflächigen, langfristigen Anbau auf kommerzieller Basis übertragbar. Es ist wissenschaftlich nicht haltbar, aus diesen Versuchen zu schliessen, GVO stellten generell für die Umwelt kein Risiko dar. Der Schlussbericht des NFP 59 ist im Übrigen das Produkt eines fachfremden Kommunikationsteams des Schweizerischen Nationalfonds. Unter den beteiligten Forschenden ist der Text inhaltlich umstritten.

Gesundheitliche Aspekte, worüber sich der Schlussbericht auch äussert, wurden im NFP 59 gar nicht untersucht. Hier wurde lediglich die vorhandene Literatur analysiert. Das Fazit diesbezüglich fällt indessen nicht so eindeutig aus wie der Schlussbericht. Beispielsweise ist zu lesen: «Die Toxizitätsanalysen beruhen auf Tests zur Identifikation akuter toxischer Effekte. Mittel- und langfristige Auswirkungen sind schwierig nachzuweisen, es fehlen geeignete und aussagekräftige Testverfahren.»

Ende Februar 2013 erhielt das Parlament von den Akademien der Wissenschaften Schweiz (AWS) einen offenen Brief mit Titel «Kein schleichendes Gentechnikverbot in der Schweizer Landwirtschaft». Das Schreiben wirft den Parlamentsmitgliedern vor, die Ergebnisse des NFP 59 nicht zu berücksichtigen. Das Forschungsprogramm habe gezeigt, dass GVO keine höheren Risiken für Umwelt und Gesundheit darstellten als herkömmliche Pflanzen. Die AWS halten die Koexistenz für möglich und sind der Ansicht, die Schweizer Landwirtschaft dürfe sich künftigen Entwicklungen der Gentechnik nicht verschliessen. Obwohl das Gentech-Moratorium auf einer Volksabstimmung beruht, behaupten die Akademien der Wissenschaften, die Ablehnung von GVO durch die Bevölkerung und die Bauern sei eine reine Annahme. Was sie aber nicht daran hindert, im gleichen Schreiben einen demokratischen Entscheid über die Zukunft der Gentechnik in der Schweizer Landwirtschaft zu fordern. Der Brief betont weiter, ein Schweizer GVO-Verbot würde die Forschung insgesamt behindern.

Kurz darauf stellten die AWS an einer Pressekonferenz im Parlament ihren neuen Bericht vor: «Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und ihre Bedeutung für eine nachhaltige Landwirtschaft in der Schweiz». Die Strategie besteht ganz offensichtlich darin, die Gentechnik mit dem grünen Wörtchen «nachhaltig» zu verbinden. Letztlich soll GVO absurderweise der biologischen Landwirtschaft schmackhaft gemacht werden.

Im Brief der Akademien der Wissenschaften offenbart sich zudem eine gehörige Portion Ignoranz gegenüber politischen Entscheidungsprozessen. Würde sich Politik darauf beschränken, wissenschaftliche Schlussfolgerungen durchzuwinken, so könnte man die politischen Instanzen gut und gerne durch einen wissenschaftlichen Beirat ersetzen. Dass Expertenmeinungen politische Entscheide überflüssig machen sollen, wäre jedoch eine gefährliche Entwicklung. Zudem räumen Expertinnen und Experten selbst ein, dass viele Ungewissheiten bestehen bleiben. Wissenschaftliche Befunde können daher nicht als die reine Wahrheit angesehen werden. Deutliche Worte an die Adresse der AWS seitens von Parlamentsmitgliedern blieben denn auch nicht aus. Sie forderten vertiefte Forschungen zum Thema und hielten fest: «Ob in der Schweiz gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden sollen, ist kein rein technischer Entscheid und es geht auch nicht ausschliesslich um Biosicherheit. Es handelt sich um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben möchten, welche Landwirtschaft und welche Lebensmittel wir wollen.»

Biologische Landwirtschaft schliesst GVO und jegliche ins Genom eingreifenden Technologien grundsätzlich aus. Diese international geltenden Richtlinien werden die Akademien der Wissenschaften nicht aushebeln können, auch wenn sie ihr Konzept einer «nachhaltigen Gentechnologie» weiter propagieren.

 

Es wird Freisetzungsversuche geben

Das Moratorium erlaubt Freisetzungsversuche zu Forschungszwecken. Ende Januar hat die Universität Zürich ein Gesuch für solche Versuche im Zeitraum 2014–2015 eingereicht. Es geht um Tests mit mehltauresistenten Genweizenlinien, die denjenigen sehr ähnlich sind, welche bereits 2008–2009 im Rahmen des NFP 59 untersucht wurden. Eine Million Franken Steuergelder wird der Bau des dafür nötigen geschützten Versuchsstandorts in Reckenholz ZH kosten.

Die Freisetzungsversuche sollen zeigen, ob die Expression von Resistenzgenen unabhängig von der Umgebung erfolgt und ob das Einbringen von Resistenzgenen an unterschiedlichen Stellen im Genom die Funktion anderer Gene beeinflusst. Das sind jedoch Fragen, die bereits in den ersten Versuchen beantwortet wurden.

Die Notwendigkeit von Freisetzungsversuchen und agronomischen Ertragsexperimenten ist für StopOGM nachvollziehbar für Linien, die in der Umwelt, d.h. in der Landwirtschaft, eingesetzt werden sollen. Im vorliegenden Fall betonen die Forschenden jedoch, dass die Versuche der Grundlagenforschung dienten und keine Vermarktung beabsichtigt sei. Das tun sie mit gutem Grund, denn der Mehltau ist für die Schweizer Landwirtschaft gar kein Problem. Tests im Gewächshaus sind viel besser geeignet, um die genetische Stabilität einer gentechnisch veränderten Linie zu analysieren. Unter diesen Bedingungen ist die Umgebung genau kontrolliert und es können direkte Kausalzusammenhänge zwischen der Variation eines Faktors und den Auswirkungen auf die Pflanze erkannt werden.

Die öffentliche Forschung sollte ihre Mittel unseres Erachtens besser für die klassische Agronomie verwenden und Lösungen suchen, die der Schweizer Landwirtschaft wirklich nützlich sind.

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