Angesichts der humanitären Katastrophe in Osteuropa hat Greenpeace beschlossen, Know-how und Material für die Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt zur Verfügung zu stellen.

Die ganze Nacht über kommen neue Gruppen im improvisierten Lager in Röszke an. Familien. Kinder. Schwangere Frauen. Ältere. Menschen mit Behinderungen. Junge Frauen und Männer. Müde. Hungrig. Frierend.

Schuhe, Kleider, Decken, medizinische Versorgung und Verpflegung gibt es nur dank zivilgesellschaftlichen Initiativen aus ganz Europa. Unsere solaralimentierte Telefonladestation mit Internetzugang kann mit wenig Aufwand betrieben werden. So bleibt uns Zeit, warme Getränke zu verteilen, Schuhe für die Frau zu finden, die die lange Reise von Griechenland hierher in Ballerinas zurückgelegt hat, Fläschchen für einjährige Zwillinge aufzutreiben oder einem Kind mit Seifenblasen einige Minuten Sorglosigkeit zu schenken.

Wir gehen den Bahngleisen entlang zur Grenze und informieren die Menschen, dass sie von der Polizei im Camp nichts zu befürchten haben. Diese beaufsichtigt nur das Einsteigen in die Busse zum Bahnhof, wo Züge direkt zur österreichischen Grenze fahren. Drei junge, asiatisch aussehende Männer fragen, wie viel die Fahrt kostet. Kaum hören sie, es sei umsonst, rennen sie jubelnd los, um sich einen Platz zu ergattern.

Am Abend des 14. September schliesst Ungarn die Grenzen. Plötzlich steht das Camp leer. Für uns gibt es nichts mehr zu tun — also weiter zum nächsten Einsatzort.

13. September 2015, Röszke (Ungarn): Viele Flüchtlinge, darunter Jugendliche und Kinder, legen kilometerlange Strecken zu Fuss zurück – unter sehr harten Bedingungen.

Opatovac, Kroatien

Das staatlich geführte Transitlager in Opatovac liegt mehrere Kilometer von den Grenzübergängen entfernt. Die Flüchtenden kommen grösstenteils mit Bussen an, manche auch zu Fuss. Die Wartezeiten bis zur Aufnahme ins Lager sind lang, Freiwilligen wird der Zugang zum Camp verwehrt. Auch hier finden wir überall müde, hungrige, frierende Frauen, Männer und Kinder. Sie fragen nach Getränken, Essen und warmen Kleidern. Unsere improvisierte mobile Ladestation und die Internetverbindung werden rege genutzt.

Männer und Frauen drängen sich um die mobile Ladestation von Greenpeace (hier in Röszke). Das Telefon ist die einzige Verbindung zu den zurückgebliebenen Angehörigen im Krisengebiet.

Diese Ladestation ist es auch, der wir schliesslich die Bewilligung verdanken, uns auch innerhalb der Sperrzone bewegen zu dürfen. Das Lager ist mit Stacheldraht umgeben und durch Erdwälle in vier Sektoren unterteilt. Die Menschen werden jeweils einem Sektor zugewiesen. Diesen dürfen sie nur unter bestimmten Umständen verlassen.

Anfänglich sind wir die einzigen Helfer innerhalb des Camps. Wir besuchen die Menschen in den Zelten und reden mit ihnen. Viele kommen auch auf uns zu und bitten um Hilfe. Ein Kind braucht medizinische Versorgung. Junge Mädchen fragen nach Taschentüchern. Eine Mutter sucht einen ruhigen Ort, um sich umzuziehen. Es ist kalt in der Nacht, wir verteilen Decken und warmen Tee. Bald kennen uns die Leute und wissen, dass wir für sie da sind.

Bewegende Erinnerungen

Knapp eine Woche waren wir in Röszke vor Ort, knapp zwei in Opatovac. Nun sitze ich wieder zu Hause und vermisse meine beiden grossartigen Teams, die Effizienz der Greenpeace-Leute und die Lachanfälle, die es uns erleichterten, mit schwierigen Situationen umzugehen.

Was bleibt, ist die Erinnerung an bewegende Begegnungen. An den kleinen Buben, der so stolz war, als er mit mir zusammen eine leere Kiste wegtrug. An die jungen Eltern, die morgens um drei müde im Camp ankamen und trotzdem noch mit ihrer zweijährigen Tochter spielten. An die Frau, die mich küsste und umarmte, weil ich nach langer Suche endlich passende Schuhe für sie gefunden hatte. An das immer wieder geflüsterte «Thank you» jener Frau, die im Schlamm sass und weinte, einfach weil ich da war und ihr den Arm um die Schulter legte. An die Teenager-Mädchen, die allein unterwegs waren, weil ihre Familien nicht mehr da sind. An die unbeschreiblich traurigen, müden Gesichter und die dankbaren Blicke für einen Gruss oder einen Becher Tee — alle hatten sie ein Lächeln für uns übrig. An leuchtende Kinderaugen, wenn sie beim Anblick von Seifenblasen einen kurzen Moment die traurige Realität vergassen. Und an die Freude ihrer Eltern, wenn sie sahen, dass ihre Kinder wieder einmal Kinder sein durften.

Im September 2015 erreichte die europäische Flüchtlingskrise ein kritisches Stadium – einer der Sammelpunkte des Menschenstroms nach Westen war Röszke an der ungarischen Grenze. Greenpeace half vor Ort im dort provisorisch aufgebauten Flüchtlingslager mit, und Aktivisten wie auch Mitarbeiter der Organisation brachten Hilfsgüter persönlich nach Ungarn, um die nötigsten Bedürfnisse zu stillen. Zur direkten Unterstützung von Flüchtlingen und Hilfsorganisationen wurden in erster Linie Geräte zur Generierung von Solarstrom und drahtlosem Internet nach Röszke transportiert.