Basel, 17. April 2013. Heute beklettern Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten den Hauptsitz des Basler Agrochemiekonzerns Syngenta. Dieser leugnet systematisch, dass seine Pestizide Bienen töten. Ein umfassendes Verbot bienenschädlicher Pestizide, insbesondere von Syngentas Thiamethoxam, wäre ein wirksamer Schritt gegen das Bienensterben. Doch statt Bienen und die Umwelt zu schonen, macht der Konzern mit seinem Bienenkiller-Pestizid Umsätze in Milliardenhöhe. Es liegt nun am Bundesrat, unsere Bienen vor der Profitgier der Agrarkonzerne zu schützen.

Seit heute früh beklettern Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten den Haupsitz des Basler Agrochemiekonzerns Syngenta. Sie haben ein grosses Banner mit der Aufschrift «Syngenta Pesticides Kill Bees!» am Gebäude befestigt. Mit einem Jahresumsatz von 14,2 Milliarden USD ist Syngenta der weltweit grösste Pestizidkonzern. Die Umsatzzahlen für Thiamethoxam, das zur Gruppe der berüchtigten Neonicotinoide gehört, hält der Agrarmulti unter Verschluss – doch das Blockbuster-Bienengift dürfte gegen 10 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen (1). Die Syngenta-Produkte Actara und Cruiser basieren auf dem Wirkstoff Thiamethoxam, einem der bienenschädlichsten Pestizide überhaupt. Sie werden zur Saatgutbeizung eingesetzt oder direkt auf die Pflanze gespritzt. Umfassende Studien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) (2) sowie eine Mitte April veröffentlichte Greenpeace-Studie (3) belegen neben akuten Vergiftungserscheinungen, dass schon eine geringe Dosis bei Bienen zu Flug- und Navigationsproblemen führt, die Fortpflanzungsfähigkeit und die Fähigkeit für eine effiziente Nahrungssuche reduziert sowie Bienenvölker krankheits- oder parasitenanfälliger machen kann.

Seit etwa 15 Jahren sterben Bienen in Europa und Nordamerika in besorgniserregendem Ausmass. Je nach Jahr und Region beträgt die Sterblichkeit der Bienenvölker bis zu 53 Prozent. Bienen sind für unser Überleben zentral: Mindestens ein Drittel der globalen Lebensmittelproduktion hängt von der Bestäubung durch Bienen und anderen Insekten ab. Der volkswirtschaftliche Wert der von Bienen erbrachten Bestäuberleistung in der Schweiz wird auf jährlich mindestens 260 Millionen Franken geschätzt. Neben Parasiten und Krankheiten, Klimawandel und einem Rückgang natürlicher Lebensräume sind industrielle Landwirtschafts-Praktiken, insbesondere aber der Einsatz von Pestiziden mitverantwortlich für das verheerende Bienensterben. Die EU-Kommission will deshalb Produkte mit dem Wirkstoff Thiamethoxam von Syngenta sowie Clothianidin und Imidacloprid von Bayer verbieten. Gegen das Verbot dieser Bienenkiller-Pestizide läuft die Agrar-Industrie derzeit Sturm (4). In Frankreich, Deutschland, Slowenien und Italien sind diese Gifte teilweise bereits seit Jahren verboten – mit sich erholenden Bienenpopulationen und ohne Ernteeinbussen, wie verfügbare Zahlen aus Italien belegen (5). Während die EU-Kommission offenbar gewillt ist, trotz massivem Widerstand seitens der Industrie weitreichende Restriktionen zu erlassen, verharrt die Schweizer Regierung in Passivität. Landwirtschaftsminister Schneider-Amman scheint sich von den Drohgebärden Syngentas einschüchtern zu lassen:

So erdreistet sich Syngenta unter anderem zu behaupten (6):

1. Hauptsächlich Schuld am Bienensterben sei die Varroamilbe – der Einsatz von Pestiziden habe damit nichts zu tun. Doch die Wissenschaft ist sich weitgehend einig: Varroa ist einer von verschiedenen Faktoren; und Pestizide können einen direkten negativen Einfluss auf Wild- und Honigbienen haben. Zudem können subletal wirkende Neonicotinoide Bienen krankheits- und parasitenanfälliger machen.

2. Der EU-Vorschlag für ein Verbot basiere auf lückenhafter Datengrundlage und sei überstürzt erstellt worden. Die EFSA, eine als eher industrienah bekannte Institution, hat alle aktuell verfügbaren Feld- und Laborstudien berücksichtigt, insbesondere auch diejenigen der Industrie, soweit diese zugänglich gemacht wurden. Die Behörde kam dabei zum Schluss, dass hohe Risiken nicht ausgeschlossen werden können.

3. Neonicotinoide seien sicher, da sich der Beizwirkstoff nur in der Pflanze verteile und nur ganz gezielt Schädlinge töte. Zahlreiche Studien zeigen auf, dass bereits geringste Konzentrationen Bienen schädigen können. So konnten Honigbienen, die mit Thiamethoxam kontaminierten Pollen aufnahmen, selbst bei geringen Dosen den Rückweg zum Bienenstock nicht immer finden, die Wahrscheinlichkeit zur Schwächung eines Volkes stieg massiv (3).

4. Wenn Neonicotinoide verboten würden, drohten der europäischen Landwirtschaft Ernteeinbussen von 40 Prozent und das würde die EU in den nächsten fünf Jahren 17 Milliarden Euro kosten. Syngenta verschweigt den volkswirtschaftlichen Nutzen, den Bienen nur schon mit ihrer Bestäuberarbeit an Kultur- und Wildpflanzen leisten: nämlich pro Jahr ganze 15-22 Milliarden Euro. Der Nutzen ist also etwa fünfmal mehr als der von Syngenta prophezeite Schaden. Bei den Ernteeinbussen ebenso: Syngenta lässt ausser Acht, dass es pestizidfreie Schädlingsbekämpfung gibt und berücksichtigt auch nicht, dass Länder wie Italien schon Neonicotinoid-Verbote ohne Ernteeinbussen haben.

Marianne Künzle, Landwirtschafts-Expertin bei Greenpeace Schweiz sagt: «Syngenta soll aufhören, Unwahrheiten zu verbreiten. Syngenta geht es um den Profit statt um den Bienenschutz. Das dramatische Sterben von Wild- und Honigbienen ist ein Symptom einer fehlgeleiteten industriellen Landwirtschaft, die hauptsächlich den Interessen mächtiger Konzerne wie Syngenta dient. Damit muss jetzt Schluss sein.» An Landwirtschaftsminister Schneider-Ammann richtet sie die Forderung: «Schützen Sie unsere Bienen und die Landwirtschaft – verbieten Sie diese Bienenkiller-Pestizide!»

Ein Verbot bienenschädlicher Pestizide ist ein erster wichtiger Schritt, um Bestäuberinsekten vor dem Massensterben zu bewahren. Die von Greenpeace identifizierten sieben schlimmsten Bienenkiller-Pestizide, die sofort verboten werden müssen sind Thiamethoxam (Syngenta), Clothianidin, Imidacloprid (Bayer), Fipronil (BASF), Chlorpyriphos, Cypermethrin und Deltamethrin (verschiedene Hersteller). Zudem fordert Greenpeace eine klar definierte nationale Strategie zur Reduktion des Einsatzes von Pestiziden in der Schweizer Landwirtschaft sowie eine konsequente Förderung des biologischen Anbaus und einer optimierten integrierten Produktion.

Weitere Informationen unter www.greenpeace.ch

Medienbilder ab 12 Uhr zum Download unter http://www.greenpeace.org/switzerland/de/Uber-uns/Medienstelle/Aktuelle-Medienbilder/Syngenta-pesticides-Kill-Bees/

Auskünfte bei

Marianne Künzle, Landwirtschafts-Expertin Greenpeace Schweiz, +41 79 410 76 48

Yves Zenger, Mediensprecher Biodiversität Greenpeace Schweiz, +41 78 682 00 91

(1) Thiamethoxam-Produkte waren im Jahresbericht 2011 mit mehr als einer Milliarde Umsatz angegeben, was mehr als 7,5 Prozent des Konzernumsatzes entsprach. 2012 deklariert Syngenta den genauen Umsatz von Thiamethoxam-Produkten nicht mehr. Hingegen hat das Geschäft mit Saatgutbeizungen 2012 um 10 Prozent zugenommen, das grösste Wachstum verzeichnete dabei ein Thiamethoxam-Produkt (Cruiser). Der Verkauf von Insektiziden stieg 2012 um 4 Prozent, auch hier sorgte das Thiamethoxam-Produkt Actara für den grössten Wachstumsschub.

(2) http://www.efsa.europa.eu/de/Press/news/130116.htm?utm_medium=infocus&utm_source=homepag

(3) Bye Bye Biene – das Bienensterben und die Risiken für die Landwirtschaft in Europa, Greenpeace Research Laboratories, University of Exeter, 2013.

(4) http://corporateeurope.org/pressreleases/2013/private-letters-reveal-syngenta-and-bayers-furious-lobbying-against-bee-pesticide

(5) APENET 2011. Effects of coated maize seed on honey bees. Report based on results obtained from the third year (2011) activity oft he APENET project.

(6) www.neonicreport.com
https://www.youtube.com/watch?v=kNyJ3qaebgg
Seite 7 auf http://issuu.com/kanabiz/docs/le_monde_du_dimanche_3_et_lundi_4_f_vrier_2013?mode=window&pageNumber=1