Fukushima:

„NORMALITÄT“ IN DER SPERRZONE

Communiqués de presse - février 21, 2017

Turo Anzai in seinem Haus in Iitate.

NEUER GREENPEACE BERICHT Februar 2017:
>>>No Return to Normal - The Fukushima Disaster <<<

Sechs Jahre lag Iitate verlassen in der Sperrzone des explodierten AKW Fukushima Daiichi. Jetzt soll es wieder besiedelt werden. Greenpeace zeigt: Der Plan ist totaler Wahnsinn Toru Anzai ist einer von ihnen - einer von den 6000 Anwohnern des kleinen Dorfs Iitate, die jetzt vor einer grausamen Wahl stehen: Kehren sie in ihre Häuser zurück und setzen sich und ihre Familien einer ständigen radioaktiven Strahlung aus, oder nicht? Wenn sie nicht gehen, erhalten sie keine Entschädigungszahlungen mehr und wissen nicht, wovon sie leben sollen. Gehen sie aber, wissen sie nie, ob die Pfütze vor ihrem Haus gerade ein strahlender Hotspot ist, oder wie stark die Kieselsteine belastet sind, mit denen die Enkelkinder spielen. © Masaya Noda / Greenpeace

Greenpeace-Mitarbeiterin vor einem Berg mit Plastiksäcken voll radioaktivem Müll.

Beim aberwitzigen Versuch, eine ganze Region von der Strahlung zu befreien, sind etliche Millionen Kubikmeter radioaktiver Müll entstanden. Die liegen nun in Plastiksäcken verpackt in der Gegend herum. Bis die Tüten reißen...

 

DIE RADIOAKTIVITÄT EINER REGION IN PLASTIKSÄCKEN

In einem irrwitzigen Mammutprojekt ließ die japanische Regierung den Boden einer ganzen Region abtragen, ließ Dächer und Straßen waschen, Laub einsammeln und abgemähtes Gras verpacken. Entstanden sind so etliche Millionen Kubikmeter Atommüll. Der liegt nun in  Plastiksäcken verpackt überall am Wegesrand. Nach drei Jahren beginnen die Tüten zu reißen. Und dann?

Außerdem wurden zwar die Häuser und Höfe so gesäubert. Auch die Straßen und ein 20 Meter breiter Streifen rechts und links davon. Aber der Rest? Die Wälder? Die Berge? Die Hügel, die Wiesen, die Landschaft? Die bleiben weiterhin radioaktiv verseucht - und der Wind weht den belasteten Staub in die so mühsam halbwegs strahlenfrei gemachten Häuser.

JAPANS SUPER-GAU

Am 11. März 2011 war das AKW Fukushima Daiichi von einem schweren Erdbeben und Tsunami getroffen worden. In der Folge kam es zu Kernschmelzen in drei Blöcken, zu Explosionen und einer massiven Freisetzung von Radioaktivität. Die Region von Iitate, zwischen 28 und 47 Kilometer nordwestlich des havarierten Atomkraftwerkes, wurde stark verstrahlt.

Greenpeace war seit dem Unfall jedes Jahr in den betroffenen Gebieten unterwegs und untersuchte die Strahlenwerte. Der jetzt veröffentliche Report wertet tausende von Messergebnissen aus. Im November 2016 haben Greenpeace-Aktivisten aufwändig sieben Häuser in der wieder zu besiedelnden Zone untersucht. Sie haben Felder und Dachrinnen gemessen, in Echtzeit und mit Langzeitdosimetern. Sie haben  Bodenproben ins Labor geschickt und die Strahlenbelastung über die Jahre, über eine Lebenszeit, hochgerechnet.

 

VIEL ZU BELASTET FÜR EIN NORMALES LEBEN

Die untersuchten Häuser liegen kilometerweit voneinander entfernt, doch haben sie eins gemeinsam: Der von der Regierung durch Dekontamination angestrebte Wert von 0,23 Mikrosievert pro Stunde (µSv/h) in einem Meter Höhe über dem Boden wird auf allen Grundstücken massiv überschritten – in Turo Anzais Haus zum Beispiel um das 3- bis 10-Fache.  Bei vier Häusern haben die Aktivisten außerdem in Bodennähe besonders starke Strahlenwerte gemessen. Da, wo bald vielleicht schon wieder Kinder spielen sollen.

Toru Anzai jedenfalls hat sich entschieden – er geht nicht heim. Zu groß ist seine Angst vor der immer gegenwärtigen Strahlung. Auch wenn er sein Haus liebt. Und sein Dorf sowieso. Auch wenn ihm schwer ums Herz ist, weil er sich an seinem neuen Wohnort nicht heimisch fühlt. Verzweifelt ist er und wütend. Wütend auf die Regierung, die ihn vor solch eine absurde Wahl stellt. Die eine Normalität erzwingen will, die es seit dem 11. März 2011 nicht mehr gibt. Eine Normalität, die sich mit der Explosion von Fukushima Daiichi für Toru Anzai und so viele andere Betroffenene in Luft aufgelöst hat. In eine radioaktiv strahlende Luft.

Originalartikel erschienen bei Greenpeace Deutschland 21.2.2017.