Luxemburg, 7. Februar 2025 – Anlässlich der Luxemburger Präsidentschaft des Europarates appellieren ASTM, Fairtrade Lëtzebuerg und Greenpeace an die Regierung, die notwendige politische Führung zu übernehmen und sich für die rasche Annahme eines rechtsverbindlichen Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention zur Anerkennung des Menschenrechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt einzusetzen. Die Organisationen, die Unterzeichner eines Appells von 450 Organisationen der Zivilgesellschaft, sozialen Bewegungen und Organisationen indigener Völker sowie mehr als 200 Wissenschaftler:innen [1] sind, bedauern, dass dieses drängende Thema nicht zu den Prioritäten der Luxemburger Präsidentschaft zählt, obwohl die Umweltkrise – einschließlich des Klimawandels, des Verlusts der biologischen Vielfalt und der Umweltverschmutzung – die Menschenrechte in einem noch nie dagewesenen Ausmaß bedroht. [2]
ASTM, Fairtrade Lëtzebuerg und Greenpeace beklagen den Ambitionsmangel der Regierung in dieser wichtigen Angelegenheit. So gibt es im Programm der Luxemburger Präsidentschaft [3] mit Ausnahme einer Konferenz keinen Hinweis darauf, dass die Regierung den Schutz des Menschenrechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt auf europäischer Ebene prioritär vorantreiben will. Zu der besagten Konferenz, die am Freitag der kommenden Woche im Rahmen einer ganztätigen weitgehend unbekannten Veranstaltung in der Abbaye de Neumünster stattfinden und sich mit der Rolle der nationalen Parlamente beim Schutz des Rechts auf eine gesunde Umwelt befassen wird, wurden keine Vertreter der Luxemburger Zivilgesellschaft zur Teilnahme an den verschiedenen Diskussionsrunden eingeladen.
Luxemburg nimmt seine Handlungsspielräume nicht wahr
Es wäre angesichts der drängenden Herausforderungen eine wichtige Gelegenheit gewesen, dass Luxemburg eine Leaderrolle übernommen und seine Präsidentschaft genutzt hätte, um entscheidende Schritte in der Anerkennung dieses Rechts auf eine nachhaltige Umwelt zu gehen. Es ist bezeichnend für das Primat “Business first”, welches hierzulande immer mehr um sich greift, dass weder Vertreter:innen der Luxemburger Zivilgesellschaft noch von Menschenrechtsorganen eingeladen wurden, sondern nur ein Vertreter der Wirtschaft, um an den Diskussionsrunden teilzunehmen.
Die fehlende Anerkennung des Rechts auf eine gesunde Umwelt in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) stellt eine erhebliche Lücke dar. Die Anerkennung dieses Rechts durch die Annahme eines Zusatzprotokolls würde die Konvention mit ihren Grundprinzipien in Einklang bringen und ihre Wirksamkeit stärken.
Mit mehr als 300 umweltbezogenen Fällen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eindeutig Fachwissen an der Schnittstelle zwischen Menschenrechten und Umwelt entwickelt. Wie die jüngsten Urteile der Großen Kammer, darunter auch das Urteil in der Klage des Vereins KlimaSeniorinnen Schweiz gegen den Schweizer Staat, zeigen, besteht kein Zweifel daran, dass sich der Gerichtshof weiterhin und in zunehmendem Maße mit den Auswirkungen der Umweltzerstörung befassen wird. Da das Recht auf eine gesunde Umwelt jedoch nicht rechtlich anerkannt wird, bleibt die wachsende Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich auf eine Reihe anderer Rechte begründet, die nur indirekt und auf Ad-hoc-Basis entwickelt wurden. Ein Zusatzprotokoll würde sicherstellen, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs kohärent und konsolidiert ist.
Das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt ist ein eigenständiges Menschenrecht. Die Notwendigkeit eines verbindlichen Rechtsinstruments zu diesem Thema wird im Europarat bereits seit Jahrzehnten diskutiert. Zwar erkennt eine deutliche Mehrheit (42 von 46) der Mitgliedstaaten des Europarats das Recht auf eine gesunde Umwelt auf nationaler Ebene an, doch bestehen weiterhin Unterschiede, die auf einen ungleichen Schutz des Rechts auf regionaler Ebene hinweisen.
Im Jahr 2022 haben alle 46 Mitgliedstaaten des Europarates, darunter auch Luxemburg, diese Tatsache in einer UN-Resolution anerkannt. [4] Auf dem Gipfel von Reykjavik im Jahr 2023 [5] versprachen die Staats- und Regierungschefs aller 46 Staaten, diese Arbeit im Europarat fortzusetzen. Doch der Europarat hinkt weiterhin bei der Anerkennung dieses Rechts hinterher: er ist das einzige internationale Menschenrechtssystems der Welt, das dieses Recht nicht rechtlich verbindlich anerkannt hat. In den regionalen Menschenrechtsgesetzgebungen Interamerikas und Afrikas ist das Recht bereits in vollem Umfang verwirklicht.
Notizen:
[1] Call for the adoption of an additional Protocol to the European Convention on Human Rights on the right to a clean, healthy, and sustainable environment To the Ministers of Foreign Affairs and to the Permanent Representatives of the Member States of the Council of Europe https://healthyenvironmenteurope.com
[2] Wir leben in einer Welt, die unter zunehmender Umweltzerstörung leidet: Schätzungen zufolge sterben jedes Jahr fast 7 Millionen Menschen auf der ganzen Welt und mehr als 300.000 allein in Europa an den Folgen der Luftverschmutzung. Extreme Überschwemmungen, lang anhaltende Hitzewellen, Waldbrände und zunehmende Dürreperioden treten aufgrund des Klimawandels immer häufiger auf, und das weltweit führende Gremium von Wissenschaftler:innen hat gewarnt, dass im nächsten Jahrzehnt globale, koordinierte und dringende Maßnahmen ergriffen werden müssen, um noch katastrophalere Auswirkungen eines Temperaturanstiegs von 1,5°C oder mehr zu vermeiden. Ganze Ökosysteme brechen zusammen, was sich auf die Ernährungssicherheit und den Zugang zu Wasser auswirkt, die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften schwächt und künftigen Generationen eine verarmte Welt hinterlässt.
[3] https://mae.gouvernement.lu/fr/directions-du-ministere/affaires-politiques/presidence-luxembourgeoise-du-comite-des-ministres/programme-calendrier.html
[4] UN-Res/76/300: https://digitallibrary.un.org/record/3982508?ln=en&v=pdf#files
[5] https://edoc.coe.int/en/the-council-of-europe-in-brief/11619-united-around-our-values-reykjavik-declaration.html