Luxemburg, 3. April 2025 – Bei der Plenarsitzung der Abgeordnetenkammer am 1. April wurde die eingebrachte Motion [1] für die Anerkennung des Menschenrechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt statt angenommen an einen gemeinsamen Parlamentsausschuss “Aussenpolitik / Umwelt, Klima und Biodiversität” überwiesen. Angesichts der dreifachen Krise von Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt und Umweltverschmutzung, welche die Menschenrechte in einem noch nie dagewesenen Ausmaß bedrohen [2], beklagen ASTM, Fairtrade Lëtzebuerg und Greenpeace die fehlende Unterstützung des Parlaments und die Zögerlichkeit bezüglich einer raschen Annahme eines rechtsverbindlichen Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention für das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Umso eindringlicher appellieren die drei Organisationen an das Parlament, den gemeinsamen Ausschuss schnellstmöglich einzuberufen und den Weg für eine Annahme der Motion endgültig freizuräumen. Das Dossier “mit der Ruhe” anzugehen, so wie es manche Parlamentarier:innen und der Minister für Umwelt, Klima und Biodiversität am Dienstag vorgeschlagen haben, ist eine äußerst beunruhigende Haltung.
Dies auch im Hinblick auf das am 14. Mai stattfindende Ministertreffen des Europarates, bei dem Luxemburgs mangelnde Ambition in dieser Angelegenheit sicher nicht für die Überzeugung einer Mehrheit der Mitgliedstaaten förderlich ist. ASTM, Fairtrade und Greenpeace fordern, dass die Regierung ihren Handlungsspielraum, über den sie in ihrer Präsidentschaft des Europarates verfügt, endlich wahrnimmt und dieses wichtige Thema auf die Tagesordnung dieses Ministertreffens setzt.
Die fehlende Anerkennung des Rechts auf eine gesunde Umwelt in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) stellt eine erhebliche Lücke dar. Die Anerkennung dieses Rechts durch die Annahme eines Zusatzprotokolls würde die Konvention mit ihren Grundprinzipien in Einklang bringen und ihre Wirksamkeit stärken.
Mehr als 450 Organisationen der Zivilgesellschaft, sozialen Bewegungen und Organisationen indigener Völker sowie mehr als 200 Wissenschaftler:innen hatten in einem Appell die Anerkennung des Rechts auf eine gesunde, saubere und nachhaltige Umwelt gefordert [2].
Mit mehr als 300 umweltbezogenen Fällen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eindeutig Fachwissen an der Schnittstelle zwischen Menschenrechten und Umwelt entwickelt. Wie die jüngsten Urteile der Großen Kammer, darunter auch das Urteil in der Klage des Vereins KlimaSeniorinnen Schweiz gegen den Schweizer Staat, zeigen, besteht kein Zweifel daran, dass sich der Gerichtshof weiterhin und in zunehmendem Maße mit den Auswirkungen der Umweltzerstörung befassen wird. Da das Recht auf eine gesunde Umwelt jedoch nicht rechtlich anerkannt wird, bleibt die wachsende Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich auf eine Reihe anderer Rechte begründet, die nur indirekt und auf Ad-hoc-Basis entwickelt wurden. Ein Zusatzprotokoll würde sicherstellen, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs kohärent und konsolidiert ist.
Das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt ist ein eigenständiges Menschenrecht. Die Notwendigkeit eines verbindlichen Rechtsinstruments zu diesem Thema wird im Europarat bereits seit Jahrzehnten diskutiert. Zwar erkennt eine deutliche Mehrheit (42 von 46) der Mitgliedstaaten des Europarats das Recht auf eine gesunde Umwelt auf nationaler Ebene an, doch bestehen weiterhin Unterschiede, die auf einen ungleichen Schutz des Rechts auf regionaler Ebene hinweisen.
Im Jahr 2022 haben alle 46 Mitgliedstaaten des Europarates, darunter auch Luxemburg, diese Tatsache in einer UN-Resolution anerkannt. [4] Auf dem Gipfel von Reykjavik im Jahr 2023 [5] versprachen die Staats- und Regierungschefs aller 46 Staaten, diese Arbeit im Europarat fortzusetzen. Doch der Europarat hinkt weiterhin bei der Anerkennung dieses Rechts hinterher: er ist das einzige internationale Menschenrechtssystems der Welt, das dieses Recht nicht rechtlich verbindlich anerkannt hat. In den regionalen Menschenrechtsgesetzgebungen Interamerikas und Afrikas ist das Recht bereits in vollem Umfang verwirklicht
Hinweise an die Redaktion:
[1] « La Chambre des député·e·s… »…« invite le gouvernement à soutenir l’initiative d’un protocole additionnel à la CEDH reconnaissant le droit à un environnement sûr, propre, sain et durable; à prendre des mesures diplomatiques et politiques afin de fédérer d’autres Etats membres autour de cette initiative et à encourager une dynamique en faveur de son adoption; à informer régulièrement la Chambre des député.e.s des avancées et des positions prises par le gouvernement sur cette question dans les enceintes internationales. » https://www.chd.lu/fr/motion_resolution/4536
[2] Wir leben in einer Welt, die unter zunehmender Umweltzerstörung leidet: Schätzungen zufolge sterben jedes Jahr fast 7 Millionen Menschen auf der ganzen Welt und mehr als 300.000 allein in Europa an den Folgen der Luftverschmutzung. Extreme Überschwemmungen, lang anhaltende Hitzewellen, Waldbrände und zunehmende Dürreperioden treten aufgrund des Klimawandels immer häufiger auf, und das weltweit führende Gremium von Wissenschaftler:innen hat gewarnt, dass im nächsten Jahrzehnt globale, koordinierte und dringende Maßnahmen ergriffen werden müssen, um noch katastrophalere Auswirkungen eines Temperaturanstiegs von 1,5°C oder mehr zu vermeiden. Ganze Ökosysteme brechen zusammen, was sich auf die Ernährungssicherheit und den Zugang zu Wasser auswirkt, die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften schwächt und künftigen Generationen eine verarmte Welt hinterlässt.
[3] Call for the adoption of an additional Protocol to the European Convention on Human Rights on the right to a clean, healthy, and sustainable environment To the Ministers of Foreign Affairs and to the Permanent Representatives of the Member States of the Council of Europe https://healthyenvironmenteurope.com
[4] UN-Res/76/300: https://digitallibrary.un.org/record/3982508?ln=en&v=pdf#files
[5] https://edoc.coe.int/en/the-council-of-europe-in-brief/11619-united-around-our-values-reykjavik-declaration.html