Veröffentlicht am 23. Oktober im Luxemburger Wort von Frank Thinnes, Energie und Klima Kampaigner bei Greenpeace Luxemburg
Auf der Klimakonferenz in Glasgow (COP26) treffen sich im November die Vertreter der Regierungen, um über die Klimakrise zu diskutieren und weitere Entscheidungen zu treffen. Fast jede Nation der Welt ist vertreten, so dass die größten Umweltverschmutzer neben Vertretern kleiner Inselstaaten, die in diesem Jahrhundert von der Landkarte verschwinden könnten, zusammen am Tisch sitzen. Einige Regierungen kommen mit großen Hoffnungen, andere versuchen, den ökologischen Fortschritt zu untergraben. Letztendlich ist die COP das einzige globale Forum, auf dem die ganze Welt zusammenkommt und sich zu den massiven Emissionssenkungen verpflichten kann, die notwendig sind.
Die Klimakrise spitzt sich weiterhin zu.
Von zunehmenden Extremwetterereignisse und einer stetig steigenden globale Durchschnittstemperatur wird im jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC berichtet. Vom UN-Generalsekretär Antonio Guterres wurde der Bericht als “Code Red for Humanity” bezeichnet. Er enthält eine deutliche Warnung: Die Menschheit wird große, unumkehrbare Schwierigkeiten haben, wenn die globalen Kohlenstoffemissionen nicht bis zum Ende dieses Jahrzehnts massiv gesenkt werden. Angesichts dieser Herausforderungen müssen auf der COP26 einige wichtige Entscheidungen getroffen werden, um die globale Erwärmung auf unter 1,5°C begrenzen zu können.
Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe ist vorbei!
Die Regierungen müssen beschließen, dass keine neuen Kohle-, Öl- und Gasprojekte mehr erschlossen werden. Bei den aktuellen Verhandlungen besteht jedoch die Gefahr, dass Schlupflöcher zur Vermarktung fossiler Brennstoffe geschaffen werden, so zum Beispiel über die Herstellung von sogenanntem “sauberen Wasserstoff”, auch “blauer Wasserstoff” genannt. Dieser wird über fossile Energien hergestellt und ein Teil der dabei anfallenden CO2-Emissionen soll mit Hilfe einer nicht ausgereiften, ineffizienten und viel zu teuren Technologie, dem “Carbon Capture and Storage” (CCS), unterirdisch gespeichert werden. Auch wenn die Luxemburger Regierung in ihrer Wasserstoff-Strategie von einer zehnjährigen Transition spricht, gibt es bisher keine Garantie dafür, dass dieser blaue Wasserstoff in Zukunft dem grünen Wasserstoff weichen wird. Beide Technologien, blau oder grün, haben völlig unterschiedliche Wertschöpfungsketten, an denen unterschiedliche Unternehmen und Infrastrukturen sowie Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen beteiligt sind. Wir müssen schnellstens weg von falschen Lösungen wie dem blauen Wasserstoff oder CCS, die alleine darauf aufbauen, weiterhin den Einsatz fossiler Rohstoffe am Leben zu halten.
Wir müssen uns verpflichten dazu, die globalen Emissionen bis 2030 zu halbieren.
Um eine 50-prozentige Chance zu haben, die globale Erwärmung auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, können wir laut IPCC noch rund 500 Milliarden Tonnen CO2 emittieren, gerechnet ab Anfang 2020. Für eine 67% Wahrscheinlichkeit sind es nochmal 100 Milliarden Tonnen weniger. Derzeit sind menschliche Aktivitäten für über 40 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr verantwortlich. Die Herausforderung ist also immens, wir müssen Maßnahmen ergreifen, die die globalen Emissionen bis 2030 halbieren und uns bis 2050 auf den Weg zu Netto-Null-Emissionen bringen. Deshalb müssen in Glasgow die reichsten Nationen Führungsstärke zeigen und mit ihren Plänen deutlich schneller vorankommen. Die G20-Länder machen fast 80% der weltweiten Emissionen aus, aber zu viele von ihnen müssen ihre Klimapläne noch vor der COP26 verbessern. Laut dem “Emissions Gap Report 2020” steuert die Welt in diesem Jahrhundert immer noch auf einen katastrophalen Temperaturanstieg von über 3°C zu – weit über die Ziele des Pariser Abkommens hinaus.
Wir lehnen falsche Lösungen der Industrie und Pläne für einen globalen Markt für CO2-Kompensationen ab.
Der Artikel 6 des Pariser Abkommens beinhaltet internationale Klima-Kooperationen. Er ist zwar nur neun Absätze lang, dafür aber ziemlich umstritten. Die Regeln für die internationale Klima-Kooperation müssen so festgelegt werden, dass es nicht zu Schlupflöchern wie z.B. CO2-Kompensation-Märkten kommt. Es muss darum gehen, wie Länder bei der Bereitstellung von Finanzmitteln, beim Technologietransfer, beim Wissensaustausch und beim Aufbau von Kapazitäten kooperieren, um eine möglichst effiziente Art der Zusammenarbeit sicherzustellen – jedoch darf es keine “Carbon-Offsets” geben. Denn diese Kompensationsmechanismen verhindern nicht, dass Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen und unsere Welt erwärmen – sie verhindern nur, dass diese Emissionen in den Büchern der Verschmutzer erscheinen. Laut Klima-Wissenschaftlern muss die Welt sofortige, drastische und konsequente Emissionssenkungen vornehmen und zusätzlich natürliche Kohlenstoffsenken fördern, um die Reduktionsziele zu erreichen. Die Kompensation hingegen ist ein Freibrief für weitere Verschmutzung und bietet Anreize für die Kommerzialisierung der Natur.
Wir fordern globale Wachsamkeit in Bezug auf Net Zero.
Net-Zero-Versprechen ohne kurzfristige dramatische und konsequente Emissionsreduktionen sind Greenwashing. Mehrere Analysen von Net Zero-Verpflichtungen von Unternehmen und Staaten haben ergeben, dass konkrete Maßnahmen nicht oder wenig effektiv umgesetzt werden. Kurz- und mittelfristige Ziele fehlen, Emissionsreduktionen werden durch zweifelhafte Kompensationen ersetzt und verschiedene andere Schlupflöcher werden verwendet, um in den nächsten Jahrzehnten einen echten Schritt in Richtung nahezu Null Emissionen zu vermeiden. Ohne ein System der Rechenschaftspflicht, Staaten und Unternehmen grundsätzlich zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen zu zwingen, werden diese Zusagen viel zu oft als Greenwashing-Maßnahmen missbraucht.
Wir müssen sicherstellen, dass jährlich 100 Milliarden US-Dollar von reichen Ländern in weniger entwickelte Länder fließen.
Die größten historischen Verschmutzer müssen sich mit den Menschen und Ländern solidarisch zeigen, die an erster Stelle von den Klimaauswirkungen betroffen sind. Der faire Ansatz bedingt Klimagerechtigkeit. Es werden mindestens 100 Milliarden Dollar pro Jahr gebraucht (mit steigender Tendenz), die von den reichen Ländern an die ökonomisch weniger entwickelten Länder fließen müssen, damit diese sich an die Auswirkungen der Klimakrise anpassen können, selber saubere Energiesysteme entwickeln und etablieren und sich endgültig von fossilen Brennstoffen abwenden können. Darüber hinaus sollte mehr Geld zur Verfügung gestellt werden, um die Schäden auszugleichen, die in diesen weniger entwickelten Ländern bereits durch die Klimaauswirkungen entstanden sind.
Auch in Luxemburg brauchen wir echte Maßnahmen, um den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu beschleunigen.
Es reicht nicht, dass jetzt unsere Politiker den CO2-Ausstoß ihrer Reisen kompensieren, vielmehr muss es darum gehen, dass Luxemburg sich zum Beispiel endlich seiner Abhängigkeit aus dem Tanktourismus entledigt und nicht weiter vom Verkauf fossiler Brennstoffe profitiert auf Kosten derjenigen, die am meisten von den Klimafolgen betroffen sind. Ein Land was sich selbst als Green Finance Hub verkaufen möchte, sollte als allererstes dafür sorgen, dass der eigene Pensionsfond dem Pariser Ankommen gerecht wird. Das ist aber fraglich, denn im letzten Jahr sind Investitionen beispielsweise in Kohleunternehmen sogar gestiegen. Luxemburg, als weltweit zweitgrößter Standort für Investmentfonds, sollte im eigenen Interesse bestrebt sein, die Exposition der Fonds gegenüber kohlenstoffintensiven Unternehmen zu verringern. Das käme nicht nur dem Klimaschutz zugute, sondern würde auch die wirtschaftlichen Risiken, die mit den Transitionsrisiken dieser Unternehmen einhergehen, verringern.
Auch die so ersehnte ökologisch-sozial gerechte Steuerreform lässt auf sich warten, dabei wäre diese bitter notwendig, um auch jetzt schon die nationalen Ungerechtigkeiten mit ökologischen Maßnahmen und Gesetzen zu bekämpfen. Stattdessen wird weiter blind auf Wachstum gesetzt: in diesem Jahr wird unser Land voraussichtlich ein 6% höheres Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften. Das ist mit einer nachhaltigen Entwicklung, wie den Emissionsreduktionszielen der COP26, nicht vereinbar.

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