Luxemburg, 7. April 2023 Als Konsequenz des rezenten Urteils des Luxemburger Verwaltungsgerichtshofs [1] war die luxemburgische Regierung gezwungen, die Totalherbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat [2] ab dem 30. März in Luxemburg wieder zuzulassen. Landwirtschaftsminister Claude Haagen rief heute die Bauern und Bäuerinnen sowie Winzer:innen dazu auf, auch weiterhin auf Glyphosat zu verzichten. Außerdem will das Ministerium eine Studie in Auftrag geben, die die negativen Auswirkungen von Glyphosat genau belegen soll. Greenpeace bedauert, dass das Landwirtschaftsministerium nicht den Mut hat, ein neues Glyphosat-Verbot auf einer geeigneten rechtlichen Basis zu erlassen.

Die Regierung hatte in ihrem Koalitionsabkommen beschlossen, das Unkrautvernichtungsmittel zu verbieten, was dann auch erfolgte. Laut Urteil des Verwaltungsgerichtshofes hat das Landwirtschaftsministerium das Glyphosat-Verbot jedoch nicht ausreichend auf geeignete rechtliche Grundlagen gestützt. 

Greenpeace appelliert an die Luxemburger Regierung, sich ihrer Verantwortung für Mensch und Umwelt nicht zu entziehen und umgehend alle möglichen rechtlichen Schritte einzuleiten, um Glyphosat wieder aus dem Verkehr zu ziehen. Minister Haagen muss sich hierbei juristisch besser beraten lassen. Die europäische Gesetzgebung räumt den Mitgliedstaaten einige Optionen ein, um Glyphosat und generell auch weitere gefährliche Pestizide aus dem Verkehr zu ziehen. Die Regierung kommt nicht drum herum, die Koalitionsentscheidung nun mittels einer geeigneten rechtlichen Grundlage und zielorientierten Begründungen umzusetzen,” erklärt Raymond Aendekerk, Direktor von Greenpeace Luxemburg.

Mehrere Studien seitens der Industrie weisen auf die Risiken des Glyphosat-Wirkstoffs hin, welche auch als Grundlage für dessen Zulassung herangezogen werden. “Im Falle widersprüchlicher Schlussfolgerungen zwischen Industriestudien und unabhängigen Studien muss das Vorsorgeprinzip gelten und den Ergebnissen unabhängiger Studien der Vorrang gegeben werden”, ergänzt Aendekerk.

Ein Mitgliedstaat muss, um Pestizide in seinem Hoheitsgebiet zuzulassen, sicherstellen, dass sämtliche Bestandteile des Pestizids keine Gefahr für die Gesundheit und die Umwelt darstellen. Der Gerichtshof verweist auch auf Artikel 36 der EU-Pestizidverordnung, der den zonalen Ansatz bei der Risikobewertung / dem Risikomanagement betrifft. Jedoch gibt es für viele Begleitstoffe mit glyphosathaltigen Totalherbiziden keine Daten über ihre Toxizität für die Gesundheit und die Umwelt. Die Tatsache, dass Belgien als zonaler Berichterstatter-Mitgliedstaat zu dem Schluss gekommen ist, dass Herbizide auf Basis von Glyphosat sicher sind, hätte den luxemburgischen Staat dazu veranlassen sollen, deren Zulassung unter Berufung auf die Besonderheiten des Landes abzulehnen. Der Verwaltungsgerichtshof stellte jedoch fest, dass eine solche Begründung in der Entscheidung des Ministeriums fehlte.

Greenpeace weist darauf hin, dass in Luxemburg in den letzten Jahren viele Initiativen in der Landwirtschaft unternommen wurden, um auf das Totalherbizid Glyphosat zu verzichten. Damit diese Initiativen weitergeführt werden können, sind weiterhin Subventionsprogramme für Bauern und Bäuerinnen erforderlich, um ganz spezifisch auf Glyphosat und generell auf chemisch-synthetische, umwelt- und gesundheitsschädliche Pestizide zu verzichten.   


Notizen:

[1] Der Gerichtshof bestätigte, dass das ministerielle Vorgehen als solches im europäischen Rahmen weiterhin möglich sei. Um die bis Ende 2023 erteilten Zulassungen im Großherzogtum rechtsgültig widerrufen zu können, hätte der Minister dem betroffenen Wirtschaftsteilnehmer nicht nur die rechtlichen Gründe für sein Handeln mitteilen, sondern seine Entscheidung auch mit der Erwägung untermauern müssen, dass das betreffende Produkt weiterhin ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder sogar für die Umwelt “aufgrund seiner besonderen ökologischen oder landwirtschaftlichen Merkmale” im Großherzogtum Luxemburg ein Risiko darstellt. Dieses Fehlen einer relevanten Begründung führte dazu, dass der Gerichtshof die von den Richtern in erster Instanz ausgesprochene Aufhebung des Verbots bestätigte.

[2] Glyphosat, das weltweit am häufigsten eingesetzte Pflanzenschutzmittel, steht seit Jahren im Verdacht, krebserregend zu sein – das stellte die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits 2015 fest. Das Totalherbizid tötet alle Beikräuter auf dem Acker, Wiesen und Weiden auf Jahrzehnte und hat somit eine katastrophale Auswirkung auf die gesamte Biodiversität in unserer Agrarlandschaft. In einer europäischen Bürgerinitiative hatten über eine Millionen Menschen in ganz Europa ein Verbot von Glyphosat, eine allgemeine Verringerung des Pestizideinsatzes sowie mehr Transparenz und Unabhängigkeit bei der Bewertung der von Pestiziden ausgehenden Risiken gefordert.