„Eine halbe Orange schmeckt genau so gut wie eine ganze“ (Altes chinesisches Sprichwort)

Luxemburg ist wieder früh dran: Unser Earth Overshoot Day (Erdüberlastungstag) ist in diesem Jahr bereits Mitte Februar, und wir mussten uns nicht einmal anstrengen. (1) Der kam ganz von selbst und damit deutlich früher als in fast allen anderen Ländern. An diesem Tag müssten eigentlich in Luxemburg die Lichter ausgehen, und wenn die Bewohner aller Länder dieser Erde so konsumieren würden wie wir, würde die Geschichte des Homo sapiens an diesem Tag enden, zeitgleich mit dem Valentinstag. Wir haben schon alles beim Frühstück aufgefuttert, alles verbraucht, was für ein Jahr reichen müsste und unsere Umwelt so belastet, dass die Erde sich nicht mehr aus eigener Kraft regenerieren kann. (2)

Was kann Frau/Mann nun selbst tun?

Jede(r) sollte seinen/ihren täglichen Konsum im Blick haben und sich vernünftig verhalten: regionale und biologische Lebensmittel einkaufen und möglichst selbst zubereiten, klima- und tiergerechte Fleisch- und Milchprodukte konsumieren, Abfall vermeiden, wenig Autofahren und kaum fliegen usw. Mit einem persönlichen Online-Klimarechner kann jeder(r) selbst feststellen, was er/sie der Erde entnimmt.

Mein persönlicher Overshoot Day ist am 1. Juni und ich verbrauche 2,4 Erden (footprintcalculator.org). Der Rechner des WWF ergibt für mich einen CO2-Ausstoß pro Jahr von ca. 7,2 Tonnen, der Durchschnitt pro Person in Luxemburg beträgt etwa 15 Tonnen, in Deutschland elf Tonnen.

Doch auch wenn jede(r) bei seinem/ihrem direkten Verbrauch einspart, so bleiben uns doch viele Tonnen CO2 und Hektar Landverbrauch, bedingt durch Infrastrukturen wie Straßen, Eisenbahn, Flughäfen, Kläranlagen, Wasser- und Stromversorgung, Sport- und Freizeiteinrichtungen, Krankenhäuser, usw., auf deren Umweltauswirkungen durch Bau und Betrieb wir individuell keinen direkten Einfluss haben. Und dennoch kann sich jeder politisch engagieren, dass sich auch in diesem Bereich etwas ändert.

Politik und Wirtschaft sind gefordert

Die Fakten sind demnach klar. Die luxemburgische Bevölkerung lebt auf zu großem Fuß (Footprint) und verursacht Raubbau im eigenen Land sowie auf globaler Ebene. Warum ist das so?

Wegen der globalen Verstrickung unserer Wirtschaft müssen besonders auf dieser Ebene die Monopolstellungen großer Unternehmen und Banken zerschlagen werden, damit die Regierungen und die Politik wieder die wahren Interessen der Bevölkerung vertreten können und nicht vor der Übermacht der Konzerne und Finanzinstitute einbrechen. Die Ökonomie muss demokratisiert werden. (3, 4)

Pessimismus und Trübseligkeit dürfen keinen Platz haben

Pandemie, Klimawandel und Erderhitzung, Schwund der Biodiversität und Raubbau an der Erde hinterlassen tiefe Spuren im allgemeinen Wohlbefinden der Gesellschaft. Besonders die Jugend ist stark betroffen und macht lautstark auf sich aufmerksam. Sie sind zunehmend Gegenstand von psychologischen und soziologischen Studien, und das mit erschütternden Feststellungen.

Die letzten Ergebnisse des Eurobarometers (5) und die des Jugendberichts (6) zeigen die verschiedenen Ausprägungen der Zukunftsängste der jungen Menschen ganz deutlich. Es stellt sich die Frage, wie wir als Erwachsene dieser besorgniserregenden Entwicklung begegnen können. Wir sollten uns nicht von Kurzsichtigkeit, Egoismus und Ignoranz leiten oder verleiten lassen. Schule und Uni sind ein Produkt unserer Wertvorstellungen, die vor allem vom Industriezeitalter geprägt sind. Sie sind veraltet und haben uns zu den Problemen geführt, die wir heute lösen müssen. (7) Den jungen Erwachsenen sollen wir mit mehr Zuversicht entgegentreten und sie ernst nehmen.

Das Gute muss in den Vordergrund gestellt werden

Damit wir als Individuen und vor allem als Kollektiv ein nachhaltiges Leben gestalten können, brauchen wir verlässliche Informationen, die es uns ermöglichen und motivieren, am Gemeinwohl zu arbeiten. Hier spielen die Medien eine herausragende Rolle. Verallgemeinerungen, Katastrophenmeldungen und Einzelereignisse vernebeln unsere Sicht auf die Welt und auf die Menschen. Grundlegende, verständlich aufbereitete Beiträge zu gesellschaftspolitischen, philosophischen und soziologischen Fragen sind nur fernab vom Mainstream anzutreffen. Soziale Medien verstärken diesen Trend und halten uns darin gefangen.

Wir haben als BürgerInnen die Wahl, uns mit dem auseinanderzusetzen, was uns im Leben und für unser gemeinsames Überleben wichtig ist. Es gibt sie noch, die seriösen Tages- und Wochenzeitungen mit recherchierten Artikeln und informative Dokumentarfilme im Fernsehen und auf Videokanälen. Und eine Vielfalt an Büchern (von Plato bis Bruno Latour), die es sich vor dem nächsten ökologischen Kipppunkt zu lesen lohnt.

„Ändere die Sicht auf die Welt, und es verändert sich die Welt.“ (8) Wir brauchen ein neues Menschenbild, ein realistisches und ein hoffnungsvolles, um die aktuellen Krisen zu meistern. Es gibt bereits viele millionenfach gelebte Lösungen, die an die Menschen herangetragen werden müssen, und viele neue Innovationen werden folgen. Im Grunde neigt der Mensch ja zum Guten. Stellen wir also den Menschen in den Mittelpunkt und das Gute wird folgen. (9)


(1) www.overshootday.org
(2) https://csdd.public.lu/fr/myfootprint/ empreinte-ecologique-lux-2013.html
(3) Christian Felber (2010); Gemeinwohlökonomie, Deutike
(4) This is not economy (2019); Christian Felber, Deutike
(5) https://europa.eu/eurobarometer/surveys/ detail/2554
(6) https://jugendbericht.lu
(7) https://www.youtube.com/watch?v=zDZFcDGpL4U
(8) Maja Göpel (2021): Unsere Welt neu denken; Ullstein Verlag
(9) Rutger Bregman (2021): Im Grunde gut, Rowohlt Verlag