Nachhaltige Strategie für die luxemburgische Landwirtschaft noch nicht in Sicht!

Luxemburg, der 2. April 2021 – Unser Landwirtschaftsministerium wird im Rahmen der Reform der europäischen, sogenannten Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), in den nächsten Wochen seinen nationalen Plan zur Förderung der Landwirtschaft festlegen. Meng Landwirtschaft* fordert den Minister Romain Schneider dazu auf den neuen, beträchtlichen Gestaltungsspielraum, der den Mitgliedstaaten zusteht für neue, innovative und, in Bezug auf die Klima- und Biodiversitätskrisen, effektive Maßnahmen zu nutzen. Die Bäuerinnen und Bauern sollen mit einem attraktiven Subventionierungsprogramm und einer belastbaren rechtlichen Grundlage unterstützt werden, um den Übergang zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft einschlagen zu können. Das bisherige Agrargesetz kann weder die Zukunft einer bäuerlichen Landwirtschaft, noch den Erhalt der Artenvielfalt, der natürlichen Ressourcen und des Klimas sichern. Gerechtigkeit und Solidarität mit den Bäuerinnen und Bauern des “Globalen Südens” wurden bislang auch nicht berücksichtigt und oder tatkräftig angegangen. 

Seit Jahrzehnten bestimmen eine nur auf kurzfristige Interessen ausgerichtete, übermächtige Agrarlobby und -industrie die Landwirtschaftspolitik. Mittlerweile liegen dutzende alarmierende Studien und Erfahrungswerte für Luxemburg vor, welche eine sofortige Richtungsänderung einfordern. Nicht umsonst gilt in der Farm-to-Fork-Strategie der EU-Kommission der Ausbau der biologischen Landwirtschaft als ein Schlüsselinstrument mit dem Ziel EU-weit 25% Biolandwirtschaft bis 2030 zu erreichen.

Die EU-Kommission hat Ende 2020 einige wichtige Kritikpunkte bezüglich der luxemburgischen Landwirtschaft angeführt und Luxemburg aufgefordert angesichts dem zu hohen Ausstoß von Treibhausgasen (v.a. Methan, Stickoxide) und Ammoniak, hoher Nitrat- und Phosphateinträge, dem unbefriedigenden Zustand der Oberflächengewässer und des Grundwasserkörper, u.v.m. drastische Korrekturen vorzunehmen [1]. Auch der europäische Rechnungshof hat in seiner Studie bemängelt, dass das von der EU geförderte Modell der intensiven Landwirtschaft unausweichlich zum Verlust der biologischen Vielfalt führt und zur Verschmutzung von Wasser und Luft sowie zur Überentnahme von Wasser und zum Klimawandel beiträgt [2]. Ebenso wird in Luxemburg  sowohl der Zustand der Offenlandhabitate als auch der Artenrückgang als sehr äußerst kritisch betrachtet.

Die Regierung und vor allem der Landwirtschaftsminister sind in der Pflicht endlich konkrete und effektive Maßnahmen zu ergreifen, mit dem Ziel eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungskultur in Luxemburg aufzubauen. Auch wenn die aktuelle Werbekampagne des Landwirtschaftsministeriums (z.B. im Rundfunk) eine umwelt- und klimafreundliche Landwirtschaft pauschal bewirbt, ist die Realität eine ganz andere. Als Beispiel soll hier nur die magere Bilanz des Bio-Aktionsplans erwähnt sein. So kann die luxemburgische Bio-Landwirtschaft sich kaum gegenüber einer allgemein undifferenziert gelobten und propagierten Landwirtschaft behaupten, insbesondere bei der Vermarktung von Bio-Produkten. Kommunikation und Fördermaßnahmen verfehlen ihr Ziel auf allen Ebenen. Es ist fahrlässig als zuständiges Ministerium, Bäuerinnen und Bauern nicht ausreichend über die negativen Folgen des aktuellen Wirtschaftens hinzuweisen, sie nicht in einer positiven Entwicklung zu fördern und nicht partizipativ mit einzubeziehen. Wir fordern den Landwirtschaftsminister auf, eine klare, tiefgreifende, auf der Wissenschaft basierende und gesamtheitliche Linie zur Reform unserer Landwirtschaft zu verfolgen.

Weniger Rinder als Schlüssel zu einer Agrarwende 

Die Reduzierung des Rinderbestandes und vor allem der Milchproduktion ist unausweichlich und würde wieder zu einer bodengebundenen Tierhaltung führen. Dies stellt wegen der dominanten wirtschaftlichen Bedeutung und den hohen langfristigen Investitionen jedoch eine große Herausforderung dar. Nach dem Fall der Milchquoten wurde ein weiteres, unvernünftiges Wachstum seitens des Staates geduldet. 2020 wurden ca. 447.000 Tonnen Milch von gut 700 Betrieben produziert; der Löwenanteil wird exportiert. Dies bedingt Importe von Eiweißfuttermittel (Sojaextraktionsschrot) aus Übersee mit den bekannten Folgen für deren LandarbeiterInnen, Umwelt und Klima. Außerdem belasten der Anbau von Silomais, die mineralische Nitratdüngung und der Einsatz von Pestiziden unsere Umwelt. Große Milchviehbestände führen immer mehr zu einer industriellen Dimension der Viehhaltung mit  hunderten von Kühen und ganzjähriger Stallhaltung. Dies ist weder artgerecht, noch klimafreundlich und die umweltpolitischen Ziele und Verpflichtungen der Regierung werden dabei klar verfehlt. Auch wird den Bäuerinnen und Bauern mit dieser destruktiven Landwirtschaftspolitik mittelfristig nicht geholfen sein.

Aufgrund klimatischer, topographischer und minderer  Bodenqualität, bietet sich Luxemburg zur Rinderhaltung mit Ackerbau auf besseren Standorten an. Doch Milchvieh- und  Mutterkuhhaltung sollen bestenfalls zu 100% auf Grünlandfütterung basiert sein; dies würde dem Grünlandstandort Luxemburg gerecht werden. Hunderte von Betrieben sind nicht  weit von einer bodengebundenen Tierhaltung entfernt, diese Betriebe dürfen nicht verloren gehen! Ein Subventionsstopp für große Milchvieh- und  Mastställe muss möglichst schnell erfolgen. Stattdessen müssen den Betrieben individuelle und gezielte Hilfs- und Entwicklungsprogramme bereitgestellt werden. Die Betriebe sollen finanzielle Kompensationen erhalten, Zugang zu innovativen Alternativen haben und neue partnerschaftliche Gesellschaftsstrukturen entwickeln können. Der Ackerbau soll wesentlich weniger zum Füttern der Wiederkäuer verwendet werden, sondern direkt der menschlichen Ernährung dienen, wie z.B. durch den Anbau von Leguminosen, Getreide, Ölpflanzen, Obst- und Gemüse, usw. Tausende Tonnen an chemisch-synthetischen Stickstoffdünger, Sojaextraktionsschrot und Futtergetreide könnten somit eingespart werden. Die Resilienz und die Selbstversorgung Luxemburgs mit Milch und Fleisch wäre trotz allem gesichert und die Produktion von Obst und Gemüse würde deutlich und endlich erhöht werden.

Die Artenvielfalt würde durch den sukzessiven Rückgang der Düngung, einer Pestizidreduktion und/oder dessen Verbot im Grünland und einer vielfältigen Fruchtfolge im Ackerbau (mit weniger Mais) profitieren und aufatmen können. Auch der Wildschweinbestand würde abnehmen. 

Dass Meng Landwirtschaft mit seinen Forderungen zur Reduzierung der Milchproduktion nicht so falsch liegt, zeigen auch drei rezente Artikel [3, 4, 5]. Nach unseren Recherchen wäre eine Reduktion der Milchproduktion um die Hälfte eine realistische und, vor allem notwendige Zielvorgabe (1970 wurden etwa  210.000 Tonnen Rohmilch produziert). 

Ohne diese einschneidenden Veränderungen in der Tierhaltung sehen wir keine Möglichkeit, dass die Landwirtschaft sich in eine positive Richtung entwickelt. Die notwendigen Budgets für diese Transition würden sich mittelfristig auszahlen, da viele, zuvor erwähnte kollaterale Schäden vermieden und deshalb wesentlich weniger Kosten verursachen würden. Es wäre ein enormer Befreiungsschlag für eine resiliente Landwirtschaft und Ernährungskultur in Luxemburg. 

Viele spezifische Programme des Ministeriums würden wesentlich besser umsetzbar sein: der Pestizidreduktionsplan (das Verbot von Glyphosat war ein richtiger und wichtiger Schritt), der Bio-Aktionsplan, Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung, Programme zu Natur- und  Artenschutz sowie Boden-, Wasser- und Landschaftsschutz, usw.

Einkommen der Bäuerinnen und Bauern für gesamtheitliche Dienstleistung für die Gesellschaft

Das Argument der Landwirtschaftsverbände keine substanziellen Reformen in der Landwirtschaftspolitik anzugehen und das aktuelle System aufgrund der Wirtschaftlichkeit zu verteidigen und weitgehend zu akzeptieren wird mit der weitreichenden finanziellen Unterstützung der Agrarpolitik mit Millionen von Steuergeldern obsolet und abstrus. Meng Landwirtschaft befürwortet nach wie vor die Subventionierung der Landwirtschaft mit öffentlichen, staatlichen Geldern, wenn die gelieferten Dienstleistungen dem Wohle der Allgemeinheit, den Tieren und der Natur dienen. Zu den aktuellen pragmatischen Lösungsvorschlägen, zu denen die Belohnungen für ökologische Leistungen wesentlich erhöht werden müssen, muss in Zukunft das Finanzierungsmodell nach Flächengröße endgültig eingestellt werden. Wir treten dafür ein, dass alle landwirtschaftlichen Betriebe eine finanzielle Zuwendung bekommen, die primär auf die Anzahl der MitarbeiterInnen bezogen sein soll, anstelle der immer noch gieskannenartigen, undifferenzierten Flächensubventionen und übertriebenen Investitionsbeihilfen. Eine Finanzierung, die nicht nach Flächengröße, sondern nach dem Wohl der Bäuerinnen und Bauern, sowie Natur, Biodiversität, Wasserschutz und vielem mehr ausgerichtet wäre, würde ein vielversprechendes und modernes Modell darstellen. Nur so wird die Landwirtschaft wieder attraktiver für  neue, motivierte und qualifizierte Menschen und kreative Landwirtschaftsmodelle und Kooperationen.

Ein “Weiter-so-wie-bisher” ist keine Option und wird uns viele weitere Probleme bescheren. Wir müssen jetzt die Notbremse ziehen und die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen für positive Veränderungen nutzen. 

Meng Landwirtschaft hat stets eine positive Haltung zur Landwirtschaft – auch mit Tierhaltung –  gezeigt und hat sich in den letzten Jahren auch positiv  in den Workshops des Landwirtschaftsministeriums zur Agrarreform eingebracht.  Wir fordern den Minister auf, diesen eingeschlafenen Prozess dringend wieder aufzunehmen und unserer Anfrage nach einem Gesprächstermin schnellstmöglich nachzukommen. 


* Meng Landwirtschaft: natur&ëmwelt a.s.b.l.,Vereenegung fir Bio Landwirtschaft Lëtzebuerg a.s.b.l., Greenpeace Luxemburg, Action Solidarité Tiers Monde, SOS Faim Luxembourg, Mouvement Ecologique, Caritas Luxembourg, Aide à l’Enfance de l’Inde et du Népal, attac, CELL, Cercle de Coopération, Emweltberodung Lëtzbuerg, Eglise catholique à Luxembourg, etika, Fairtrade Lëtzebuerg, Frères des Hommes, Lëtzebuerger Landesverband fir Beienzucht, Ligue CTF, SEED, Slow Food Luxembourg und Vegan Society Luxembourg

Meng Landwirtschaft hat mit dem Dokument „Landwirtschaft 2.0, Ein Plädoyer für eine Neue Agrarpolitik in Luxemburg“ eine umfangreiche Dokumentation zum Thema erstellt. (www.meng-landwirtschaft.lu)

Quellenangaben: 

  1. Europäische Kommission (18.12.2020). Commission recommendations for Luxembourg’s CAP strategic Plan.
  2. EU-Rechnungshofs (05.06.2020). Sonderbericht: Biodiversität auf Ackerland: Der Beitrag der GAP hat den Rückgang nicht aufgehalten.
  3. Agrarheute (16.03.2021). Landwirtschaft hat Klimaschutzziel 2020 vollständig erreicht. “Als Sektorziel für 2020 nennt das Gesetz einen Basiswert von 70 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Als Gründe für den Rückgang nennt das Umweltministerium einen vergleichsweise geringen Einsatz von Mineraldünger, sinkende Rinderbestände und die erneut trockene ⁠Witterung.”
  4. Ziichter, Convis, (März 2021). Trägt die Reduzierung des Viehbesatzes zur Verringerung des Treibhausgasausstoßes aus der Landwirtschaft bei? “Das ist der Grund, weshalb eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen immer auch den Verzehr mitberücksichtigen muss. Nur eine Reduzierung des Vieh- besatzes als Folge eines reduzierten Verzehrs von Produkten tierischen Ursprungs kann tatsächlich zu einer Senkung des Treibhausgasausstoßes und der Emission anderer umweltschädigender Gase führen.”
  5. Letzebuerger Land (26.03.2021). La longue marche du bio.

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