Luxemburg, 19. Juni 2024 – Die Finanzierung neuer Atomkraftprojekte in der EU ist mit hohen volkswirtschaftlichen Risiken verbunden, dies ergab eine aktuelle Untersuchung unterschiedlicher Finanzierungsmodelle. Die Studie wurde in Vorbereitung auf eine Generalversammlung der Europäischen Investitionsbank (EIB) am 21. Juni veröffentlicht, bei der die Unterstützung für Atomenergie erneut diskutiert werden soll.
Die Studie Fission for Funds – The Financing of Nuclear Power Plants kommt zum Schluss, dass der Staat bei Atomenergieprojekten immer wieder einspringen muss, um Finanzierungslücken zu schließen und dabei hohe wirtschaftliche Risiken eingeht. Die Studie wurde von Greenpeace Deutschland in Auftrag gegeben und von den Wissenschaftlern Jens Weibezahn von der Copenhagen School of Energy Infrastructure sowie Björn Steigerwald von der Technischen Universität Berlin erstellt.
Roger Spautz, Greenpeace-Atomexperte, erklärte: “Atomenergie ist ein Fass ohne Boden für die Steuerzahler. Vorlaufkosten, Verzögerungen sowie wirtschaftliche Rettungspakete machen die Atomkraft zu einer echten Belastung für die Staatsausgaben und gefährden konkrete Klimaschutzmaßnahmen. Wind- und Solarenergie sind schon heute deutlich günstiger als Atomstrom, und ihre Kosten sinken weiter.”
Die Studie zeigt, dass neue Atomprojekte aufgrund von unkontrollierten Kostensteigerungen, massiven Verzögerungen und Zuverlässigkeitsproblemen in der Betriebsphase häufig das Interesse der Investoren verlieren.
“Bei unserer Analyse der neuen Atomprojekte haben wir festgestellt, dass fast alle Atommeiler direkt oder indirekt auf die Unterstützung der Behörden angewiesen sind, um ihre Rentabilität zu gewährleisten. Das finanzielle Risiko tragen nicht die Betreiber, sondern die Steuerzahlenden.“, so Jens Weibezahn, Autor des Berichts.
Während die meisten internationalen Wirtschaftsnationen auf erneuerbare Energien setzen, um ihre Netto-Null-Emissionsziele zu erreichen, setzen mehrere europäische Länder, darunter Frankreich, die Niederlande, Polen, Schweden, die Slowakei, Slowenien und die Tschechische Republik, trotz großer Finanzierungs- und Wartungsprobleme auf die Kernkraft. Die Studie unterstreicht die zunehmenden Schwierigkeiten, die Unterstützung der Regierungen für diese teuren, langfristigen und mit hohen Risiken verbundenen Projekte zu rechtfertigen, insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Inflation und der steigenden Lebenshaltungskosten.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Europäische Investitionsbank 845 Millionen Euro in den Atomsektor investiert. Erstmals plant die EIB, auch die Entwicklung sogenannter kleiner modularer Reaktoren (“small module reactors”, kurz SMRs) zu unterstützen. Es gibt noch viele Unsicherheiten hinsichtlich der Rentabilität von SMRs, ganz zu schweigen von den Risiken für die Sicherheit und die Entsorgung radioaktiver Abfälle. Greenpeace fordert die Finanzminister der EU, die auch die EIB verwalten, auf, sich jeglicher Finanzierung von Atomenergie, einschließlich kleiner modularer Reaktoren, zu widersetzen.