*Von Raymond Aendekerk, Direktor von Greenpeace Luxemburg und studierter Agraringenieur

In der heutigen globalen landwirtschaftlichen Produktion gilt der Einsatz von Pestiziden in Getreide- und Gemüsefeldern, Wiesen und Weiden, Obstplantagen und Weingärten als übliche Praxis. Durch ihn konnten sich in der modernen Lebensmittelproduktion vor allem die großflächige, industrielle Produktion und Monokulturen etablieren. Flächenerträge stiegen und die Arbeit der Bauern und Bäuerinnen wurde erleichtert. Es schien, dass sich diese Erfolgsstory mit Pestiziden, chemisch-synthetischen Düngemitteln und Hybridsaatgut unendlich fortsetzen sollte, wenn auch nicht überall auf diesem Planeten.

Bis zu dem Moment, als in den sensiblen Gebieten unserer Erde Wind- und Wassererosion einsetzten, Böden an Fruchtbarkeit verloren und Menschen im Umgang mit Pestiziden gesundheitsbeeinträchtigende und sogar tödliche Vergiftungen erlitten haben. Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre: Die Lebenssituation für viele Bäuerinnen, Bauern und weite Teile der Landbevölkerung hat sich eher verschlechtert als verbessert. Und Glyphosat ist ein Teil dieses komplexen Desasters.

Mit fast einer Million Tonnen (!) ist Glyphosat das weltweit am meisten verwendete Herbizid und spielt somit eine außerordentliche Rolle. Auch wenn die absoluten Mengen in Luxemburg überschaubar sind: Angesichts seiner negativen Auswirkungen auf Biodiversität und Gesundheit und aufgrund des Vorsorgeprinzips hat unsere aktuelle Regierungskoalition bei ihrem Amtsantritt ein Verbot von Glyphosat angekündigt und auch später umgesetzt.

Engagement der Zivilgesellschaft lohnt sich

Dies war möglich, da ein Großteil der Luxemburger Bevölkerung kritisch gegenüber Pestiziden und Umweltgiften eingestellt ist und dank einer massiven Mobilisierung der luxemburgischen Zivilgesellschaft angesichts des Urteils der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2015, welches Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft hat (Kategorie B1, Bestätigung 2019). Bereits 2015 schloss sich ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger mit Greenpeace und zahlreichen anderen NGOs zusammen, um ein Verbot des Wirkstoffes Glyphosat in Luxemburg zu fordern. Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch der Landwirtinnen und Landwirte, die in direktem Kontakt mit dem toxischen Wirkstoff stehen, und der Schutz der Artenvielfalt sind Argumente genug, um das Herbizid aus dem Verkehr zu ziehen. Luxemburg war das erste Land in der Europäischen Union, das das Herbizid im Januar 2020 verbot (wirksam ab 2021), und konnte stolz auf diesen Schritt sein, der auch europaweit für viel Aufmerksamkeit sorgte.

Im April 2023 musste Landwirtschaftsminister Claude Haagen (LSAP) das während zwei Jahren verbotene Glyphosat jedoch wieder zulassen. Bayer (welches inzwischen den Erfinder und Ur-Produzenten Monsanto übernommen hatte) hat vor dem Verwaltungsgericht in Luxemburg mit der Begründung geklagt, dass es gegen europäisches Recht verstoße, glyphosathaltige Produkte, darunter das bekannte Mittel Roundup, in Luxemburg vom Markt zu nehmen. Auf EU-Ebene ist der Wirkstoff trotz heftiger Debatten immer noch bis Ende 2023 zugelassen, und eine mögliche Verlängerung der Zulassung steht in diesem Herbst vor einer politischen Entscheidung.

Bayer warf Luxemburg in seiner Klage vor, ein vollständiges Verbot bis dahin nicht ausreichend begründen zu können, das heißt, zu beweisen, dass Glyphosat auf dem Luxemburger Territorium „aufgrund seiner besonderen ökologischen oder landwirtschaftlichen Merkmale“ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier darstellt. Da die von der Regierung angeführten Begründungen für das Verbot in Luxemburg als nicht relevant genug angesehen wurden, hat das Luxemburger Verwaltungsgericht das seit 2021 geltende Glyphosat-Verbot aufgehoben und somit die Wiedereinführung des Produkts erlaubt.

Der verunsicherte Landwirtschaftsminister Claude Haagen empfiehlt weiterhin zu Recht, das Totalherbizid nicht einzusetzen. Tatsache ist jedoch, dass die Aufhebung des Verbots dazu geführt hat, dass eine Reihe von Landwirten und Landwirtinnen die Wiederzulassung als Erfolg gegen die zu starken ökologischen Bestrebungen der Regierung feiern und das Pestizid wieder bedenkenlos auf ihren Feldern verwenden. Dabei hat die Regierung einiges an Sensibilisierung, Beratung und finanziellen Mitteln zur Verfügung gestellt, damit die Luxemburger Landwirtschaft ohne Totalherbizid auskommen kann. Es scheint dann doch nicht gereicht zu haben.

Umweltschonende und gesundheitsunschädliche Alternativen zum Totalherbizid

Der Verzicht auf Glyphosat-haltige Herbizide ist durchaus möglich, verlangt jedoch die Kombination unterschiedlicher Techniken und einen stärkeren Fokus auf präventive Maßnahmen wie beispielsweise eine standortangepasste Sortenwahl oder Fruchtfolge mit Kleegras in die Felderwirtschaft. Mechanische und thermische Möglichkeiten sind bereits weit entwickelt und als erfolgversprechend gelten auch einige Konzepte der Präzisionslandwirtschaft. Der biologische Landbau bedient sich vieler ökologisch verträglicher Methoden, leider mangelt es hierzulande an einer entsprechenden Forschung und engagierter, durchschlagender Beratung.

Der erneute Einsatz von Glyphosat wird fatale Folgen haben. Glyphosat wirkt als Breitbandherbizid gegen alle ein- und zweikeimblättrigen Pflanzen und tötet sie innerhalb kürzester Zeit von der Wurzel bis zum Blattwerk ab. Nicht nur unerwünschte Beikräuter werden eliminiert, sondern auch konkurrenzschwache und seltene Ackerwildkrautarten. Die Ackerbegleitflora, welche eine Schlüsselrolle für die Biodiversität in Agrarlandschaften darstellt, zählt heute zu den am stärksten gefährdeten Artengruppen in Europa. Der aktuelle Stand der Wissenschaft weist auch darauf hin, dass vor allem indirekte Wirkungen von glyphosathaltigen Herbiziden auf Nichtzielarten (also harmlose Beikräuter) ein hohes Risiko für die biologische Vielfalt darstellen. Die zunehmende Belastung aquatischer Ökosysteme durch Pflanzenschutzmittel und andere Agrochemikalien gilt als ein Hauptfaktor für den weltweit zu verzeichnenden Amphibien-Rückgang. Des Weiteren wurden direkte Auswirkungen auf Nützlinge wie Spinnen, Bienen, Florfliegen, Regenwürmer sowie indirekte Auswirkungen auf Vögel und Kleinsäugetiere festgestellt. Glyphosat trägt somit entscheidend zur alarmierenden Situation der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft bei, wie auch das deutsche Bundesamt für Naturschutz schlussfolgernd feststellte.

Verbot von Glyphosat möglich 

Die luxemburgische Regierung darf Bayer nicht gewähren lassen und muss alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um dieses Gift wieder zu verbieten. Eine von der Regierung in Auftrag gegebene Studie wird ein solches neuerliches Verbot prüfen, indem untersucht wird, welche Besonderheiten in Luxemburg ein rechtskräftiges Verbot rechtfertigen könnten. Dabei müsste Luxemburg nicht erst warten, bis diese Ergebnisse vorliegen: Jeder EU-Mitgliedstaat kann nach der EU-Pestizidverordnung ein Pestizid aus dem Verkehr ziehen, wenn Zweifel an dessen Unbedenklichkeit für Mensch, Tier und Umwelt bestehen. Zum Beispiel ist ein Mitgliedstaat berechtigt, die Zulassung eines Pestizids zu widerrufen, wenn keine wissenschaftlichen Daten über die Beistoffe, die neben dem eigentlichen Wirkstoff in einem Handelsprodukt enthalten sind, die die pflanzenabtötende Wirksamkeit des Glyphosats erst ermöglichen, vorliegen.

Tausende von wissenschaftlichen Veröffentlichungen bestätigen die Toxizität von Glyphosat und dessen Handelsprodukte für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Diese Studien folgen nicht den vorgeschriebenen EU-Verfahren, zeigen aber anhand von empfindlicheren Tests die schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt auf. Die Prüfung der verfügbaren wissenschaftlichen Daten muss zu einem sofortigen Verbot dieser Stoffe führen. Die Pestizidverordnung sowie die Rechtsprechung des EU-Gerichtshofs sehen vor, dass wissenschaftlichen Daten, die nicht von der Industrie stammen, ein ähnliches Gewicht beigemessen werden muss. Im Falle widersprüchlicher Schlussfolgerungen zwischen Studien der Industrie und unabhängigen Studien muss das Vorsorgeprinzip dazu führen, dass den Ergebnissen der unabhängigen Studien Vorrang eingeräumt wird.

In einer Online-Petition (www.greenpeace.lu) bietet Greenpeace allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, die Regierung aufzufordern, alle möglichen juristischen Schritte zu unternehmen, um Glyphosat wieder zu verbieten, national wie auch auf europäischer Ebene. Engagieren Sie sich auch, denn ein erneutes Verbot von Glyphosat in Luxemburg ist erreichbar.


Dieser Artikel erschien am 03.09.2023 in der Rubrik “Analyse und Meinung” des Luxemburger Wort.