Die Brände um Tschernobyl scheinen unter Kontrolle zu sein – unter großem Einsatz der Feuerwehrleute vor Ort. Die Fast-Katastrophe zeigt: Ein GAU ist niemals abgeschlossen.

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Aufnahme vom Dach des havarierten Reaktors: Die Feuer wüteten unweit der Atomruine von Tschernobyl.

Anfang dieses Monats begann es in den Wäldern um Tschernobyl zu brennen, dort wo sich vor 34 Jahren der größte Atomunfall der Geschichte ereignet hat. Das aktuelle Fiasko ist zwar anders, trotzdem lässt es sich nur mit den schicksalhaften Tagen im April 1986 zusammen betrachten: Was die Feuer in der Ukraine so gefährlich macht, sind die kontaminierten Böden. „Bei Bränden kann eine erhebliche Menge Radioaktivität freigesetzt werden“, so Roger Spautz, Greenpeace-Experte für Atomenergie.

Mit dem Rauch zog radioaktives Cäsium-137 sogar bis ins über 100 Kilometer entfernte Kiew. Laut Behörden lag die Belastung in der ukrainischen Hauptstadt unterhalb der Grenzwerte. An den Brandherden sah das ganz anders aus: Die Löscharbeiten konnten nicht so gezielt voranschreiten, wie das bei normalen Waldbränden der Fall wäre – die Feuerwehrleute können nicht für lange Zeit unter der hohen Strahlenbelastung arbeiten. 

BRÄNDE UNTER KONTROLLE – VORERST

Sie sind dort noch weiteren radioaktiven Stoffen ausgesetzt: sogenannten Alpha- und Beta-Strahlern wie Plutonium-239, Americium-241 oder Strontium-90. Im Gegensatz zu Gamma-Strahlern wie Cäsium-137 lassen sich diese Alpha- und Beta-Strahler schwer an Ort und Stelle messen und verursachen durch Einatmen gesundheitliche Schäden. Die Betroffenen werden sozusagen von innen verstrahlt.

Mittlerweile scheinen die Brände unter Kontrolle zu sein, auch Dank des einsetzenden Regens. Auf Infrarotbildern der Region von gestern Morgen ist lediglich noch eine Hitzequelle zu sehen.

„Wenn man sich die Wettervorhersage anschaut – die ist kalt, neblig und regnerisch – können wir davon ausgehen, dass die größte Gefahr vorbei ist“, sagt Rashid Alimov von Greenpeace Russland. „Schwelbrände der Torfböden werden sich noch eine Zeitlang fortsetzen, aber grundsätzlich handelt es sich wohl um keinen Notfall mehr.“ Alimov gibt allerdings zu bedenken, dass die Wälder ringsherum trocken sind – Brände können also jederzeit erneut ausbrechen.

WIDERSPRÜCHLICHE ZAHLEN

Die offiziellen Angaben zum Ausmaß der Feuer enthalten Ungereimtheiten – dementsprechend unklar ist, ob eine größere Katastrophe vielleicht nur knapp verhindert wurde. Die ukrainischen Behörden gaben die Fläche der Brände am 4. April mit etwa 20 Hektar an, wenige Tage später korrigierten sie die Zahl auf 35 Hektar hoch. Greenpeace zweifelt diese Angaben an – basierend auf Satellitenbildern und den Beobachtungen der Feuerwehrleute am Boden. 

Bereits zwei Tage nach Ausbruch der Brände schätzten russische Greenpeace-Kolleg*innen nach Auswertung der Satellitendaten, dass tatsächlich ein Gebiet von 12.000 Hektar in Flammen steht. Zu Beginn dieser Woche gingen sie von insgesamt knapp 49.000 Hektar aus. Viele Greenpeace-Aktivist*innen in Russland kennen sich sehr gut mit Waldbränden aus und sind als Feuerwehrleute ausgebildet. Als sogenannte Firefighter bekämpfen sie Brandherde, die natürliche und menschengemachte Ursachen haben – und werden dafür geschätzt, aber auch von Kriminellen angefeindet

Brände in der Region sind an sich nichts Ungewöhnliches – das gewaltige Ausmaß in diesem Jahr ist allerdings beispiellos. Trockenheit und eine fehlende Schneedecke im Winter bereiteten dem Feuer wohl den Boden – ein globaler Trend, der auch die Ukraine betrifft. 

DAS SCHLIMMSTE VERHINDERT

Hunderte Feuerwehrleute haben mit großem Einsatz Schlimmeres in der kontaminierten Zone verhindert. Nach wie vor geht von Tschernobyl eine große Gefahr aus – wären Flammen auf die Atomruine des havarierten Kernkraftwerks übergeschlagen oder ein nahegelegenes Atommülllager, wären die Folgen unabsehbar. Und die Löscharbeiten erneut um Größenordnungen schwieriger.

Es ist keine neue Erkenntnis, aber man kann es nicht oft genug sagen: Die Altlasten der Atomkraft sind ein Problem, das man nicht lösen kann. „Die derzeitigen Vorfälle um Tschernobyl zeigen, dass ein Atomunfall niemals abgeschlossen ist. Die Bevölkerung kann danach nicht mehr zur Tagesordnung übergehen“, so Spautz. Der Reaktor in der Ukraine war eine Gefahr, als er gebaut wurde – er ist es heute als Ruine, und er wird es auch noch für lange Zeit bleiben.


Quelle: Greenpeace Deutschland

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