Im Rahmen seiner Kampagne “Klima und Finanzen” hat Greenpeace Luxemburg eine Expertise zur Investitionspolitik des luxemburgischen Pensionsfonds Fonds de Compensation in Auftrag gegeben. In unserem Interview erläutert der Autor der Studie, der deutsche Ökonomist Dr. Martin Granzow, die Kernpunkte und Ergebnisse seiner Studie sowie seine Empfehlungen an Politik und Management des FDC.

Dr Granzow, wie beurteilen Sie die Investitionsstrategie des Fonds de Compensation (FDC)? Was ist positiv? Was ist verbesserungsbedürftig?

Insgesamt ist die Investitionsstrategie des FDC unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten als „unbefriedigend“ zu bewerten. Positiv hervorzuheben ist, dass der Fonds bereits eine Richtlinie für verantwortliches Investieren entwickelt hat und seit einigen Jahren auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Auswahl der Asset Manager für die verschiedenen Teilfonds achtet. Zu bemängeln ist jedoch das geringe Ambitionsniveau der eigenen nachhaltigen Anlagekriterien. Es muss zudem konstatiert werden, dass auch die Ansätze der vom FDC mandatierten Asset Manager inkonsistent sind und bei weitem nicht dem Ambitionsniveau entsprechen, das zur Erreichung einer Paris-Kompatibilität der Teilfonds notwendig wäre. Zusätzlich konnte der Fonds in der Vergangenheit auch keine Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte herstellen. Es ist heute auf Basis der Angaben des FDC für externe Stakeholder daher völlig unklar, wie Nachhaltigkeitsrisiken Teilfonds-übergreifend vom FDC erfasst und gesteuert werden.

Gibt es neben dem Argument des Klimaschutzes noch weitere Gründe, warum der FDC seine Investitionsstrategie ändern sollte?

Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind Werte, die für viele Menschen immer wichtiger werden. Das trifft auch auf die Begünstigten des FDC zu. Selbst wenn es im FDC nicht die Eigenmotivation für Klimaschutz und Nachhaltigkeit gäbe, so ist dieser jedoch als Treuhänder dazu verpflichtet, im Interesse seiner Begünstigten zu handeln. Das Interesse der Begünstigten muss hierbei nicht zwingend ein rein finanzielles Interesse sein. Das wurde in der Vergangenheit auch durch diverse Gutachten und Studien bestätigt. Selbst wenn es jedoch ein rein finanzielles Interesse der Begünstigten gäbe, sollte der FDC ein großes Interesse an der stärkeren Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Investitionsstrategie haben, da negative Auswirkungen auf die Rendite mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen und positive Effekte sogar wahrscheinlich sind.

Sollte der FDC trotz Corona-Krise und der ungewissen Lage auf den Märkten zum jetzigen Zeitpunkt aus fossilen Energien “divesten”?

Unabhängig von der tatsächlichen realwirtschaftlichen Entwicklung haben sich die Börsenkurse nahezu aller großen Indizes schon wieder deutlich von den Tiefständen im März 2020 erholt und in einigen Ländern in den letzten Wochen das Vor-Corona-Niveau sogar übertroffen. Bei Kohle-, Öl- und Gas-Konzernen sind die Aktienkursentwicklungen in den letzten Monaten im Allgemeinen zwar hinter den Marktentwicklungen zurückgeblieben. Langfristig handelt es sich bei auf fossilen Energien basierenden Geschäftsmodellen in einer Paris-kompatiblen <2°C Welt jedoch um Auslaufmodelle. So kommt eine Studie von Axa bspw. zu dem Ergebnis, dass die Annual Returns von Kohleunternehmen bis 2030 um 60% und bis 2050 um 100 % einbrechen. Im Öl- und Gassektor sehen die Zahlen mit -40 % bis 2030 und -95% bis 2050 nicht deutlich besser aus. Langfristig streben diese Geschäftsmodelle also gegen einen finanziellen Wert von 0.

Wie bewerten Sie die Gewinnerwartungen von “nachhaltigen” respektive “fossil-freien” Investitionen im Vergleich zu einem “klassischen” Portfolios?

In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Studien nachgewiesen, dass nachhaltige Kapitalanlagen gegenüber konventionellen Anlagen keinen systematischen Nachteil bei Rendite und Risiko haben. Viele Studien sehen sie sogar im Vorteil. Im Wesentlichen treffen bei nachhaltigen Kapitalanlagen zwei entgegengesetzt wirkende Faktoren aufeinander. Auf der einen Seite steigen die Aufwände bei der Asset Auswahl, weil zusätzlich zu den klassischen Auswahlkriterien weitere Nachhaltigkeitskriterien analysiert werden müssen. Das kostet Zeit und Geld. Auf der anderen Seite können durch nachhaltige Investments jedoch bestimmte finanzielle Risiken aus den Portfolios ausgeschlossen werden. Auf Basis der bisherigen wissenschaftlichen Analysen scheint dieser positive Effekt, die zusätzlichen Kosten überzukompensieren.

Ist eine nachhaltige Investitionsstrategie auch für passiv gemanagte Portfolios möglich?

Selbst bei passiv gemanagten Fonds des FDC, die ausschließlich in Indizes investieren, können Nachhaltigkeitsaspekte als strategische Zielsetzung in die Investitionsstrategie integriert werden, da es zu nahezu allen „großen“ Indizes nachhaltige Sub-Indizes gibt.

Welche konkreten Schritte sind notwendig, um die Investitionen des FDC Paris-kompatibel zu gestalten? Welche Rolle kommt in dieser Hinsicht den politischen Entscheidungsträgern zu? Welche konkreten Schritte müssen von den Entscheidungsträgern des FDC unternommen werden?

Wir haben einen ganzen Katalog verschiedener Maßnahmen im Bericht aufgelistet, die von Seiten der Politik und des Fonds-Managements ergriffen werden sollten. Besonders hervorzuheben ist sicher, dass ein klares Zeichen von Seiten der Politik erforderlich zu sein scheint, dass eine Integration von Nachhaltigkeitsrisiken zwingend zum Mandat des Fonds dazugehört. Des Weiteren sind politische Impulse notwendig, um einen Nachhaltigkeitsbestrebungen fördernden regulatorischen Rahmen zu schaffen. Dies umfasst Vorgaben zur Transparenz genauso wie eine Verpflichtung aller von Treuhändern verwalteten Fonds zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Risikoanalyse. Auch das Mandat der Aufsichtsbehörden sollte erweitert werden. Hierzu gehört nicht nur die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in das Berichtswesen und die unternehmensspezifischen Prüftätigkeiten, sondern auch die Durchführung von Stresstests unter verschiedenen Klimawandel- und Transitionsszenarien. Wir empfehlen in Richtung der Politik zusätzlich über verschiedene Maßnahmen einen Beitrag zum Aufbau von Knowhow und Kapazitäten zu leisten.

Der FDC selbst sollte das Thema Nachhaltigkeit zunächst in seiner Gesamtstrategie und anschließend in der Investitionsstrategie aller Teilfonds verankern. Prozessual ist es in einem zweiten Schritt sinnvoll, die eigenen Analysefähigkeiten zu erweitern, ein eigenes Nachhaltigkeitskennzahlensystem zu entwickeln und eine fundierte Nachhaltigkeitsanalyse zu implementieren. Liegt intern die nötige Transparenz vor, sollte als nächstes eine ambitioniertere Anlagerichtlinie erarbeitet werden, die neben Ausschluss- und Positivkriterien auch das Engagement gegenüber Investees klar regelt. Ebenfalls wichtig ist die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Aufbau- und Ablauforganisation sowie ein umfassendes Monitoring. Der Fonds sollte zudem umgehend intern und extern Transparenz zur eigenen Nachhaltigkeitsleistung herstellen und bei der Offenlegungspraxis durch Anwendung der TCFD-Empfehlungen als Leuchtturm und Vorreiter für den Sustainable Finance Standort Luxemburg auftreten.

Gibt es neben dem Sektor der fossilen Brennstoffe noch andere Sektoren, die aus Sicht des Klimaschutzes bedenklich sind, da sie nicht oder nur schwer transformierbar sind?

Es gibt nur wenige Beispiele für nicht transformierbare Sektoren und darüber hinaus beachten Transformationsszenarien in der Regel, ob Sektoren einfach oder nur bedingt Emissionen reduzieren können. Entscheidender ist, wie stark das Geschäftsmodell eines Unternehmens von einer problematischen Technologie (z. B. der Herstellung von Verbrennermotoren) abhängt. Vor allem nicht diversifizierte Pure Player mit hoher Exposition zu diesen Technologien werden in einem <2°C Szenario kaum transformierbar sein und sollten daher vom Investment ausgeschlossen werden. Ebenfalls auszuschließen sind Unternehmen, denen der nötige Wille zur Transformation fehlt. Hierzu zählen Klimawandel-Leugner, genauso wie Unternehmen, die gegen die Transformation fördernde Maßnahmen (z.B. klimafreundliche Regulatorik) lobbyieren. Auch solche Unternehmen, die mit besonders problematischen Geschäftsaktivitäten in Verbindung stehen (gemeint sind bspw. Arctic Drilling oder der Abbau von Teersanden), müssen vom FDC grundsätzlich vom Investment ausgeschlossen werden.

Sollte der FDC in Firmen investieren, deren Hauptgeschäft im Bereich der fossilen Energien ist, die jedoch auch über eine Filiale “Erneuerbare Energien” verfügen?

Das hängt vom Einzelfall ab. Ein Unternehmen mit einem wissenschaftlich fundierten Paris-kompatiblen Emissionsreduktionsziel, das alle wesentlichen Emissionsquellen (inkl. der indirekten Emissionen) abdeckt und dieses Ziel glaubhaft und nachweisbar verfolgt, ohne dabei andere Nachhaltigkeitsprobleme zu verursachen, sollte für den FDC unabhängig vom Sektor grundsätzlich investierbar sein. Bei Investments in Unternehmen aus problematischen Sektoren ist jedoch hohe Transparenz zur Investitionsentscheidung ratsam, um die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung auch externen Stakeholdern zu ermöglichen.


Dr. Martin Granzow ist Dipl. Wirtschaftsingenieur und Doktor der Wirtschaftswissenschaften. Er verfügt über 10 Jahre Berufserfahrung als Unternehmensberater u. a. bei Accenture Strategy. Im Jahr 2017 gründete er die Nextra Consulting, mit der er Unternehmen bei der Umsetzung der Green Transition unterstützt. Er ist darüber hinaus als Dozent für die Frankfurt School of Finance & Management tätig und Herausgeber bzw. Autor zahlreicher Publikationen.

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