Martina Holbach, Kampaignerin für nachhaltige Finanzen bei Greenpeace Luxemburg

Im RTL-Neujahrsinterview erklärte Staatsminister Xavier Bettel, dass die Luxemburger Finanzindustrie in Punkto Nachhaltigkeit auf dem richtigen Weg sei. Die Änderungen könnten jedoch nur langsam (“lues an lues”) vorgenommen werden. Doch “lues a lues” darf angesichts von Klimakrise, unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, mangelnder Energiesicherheit und steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten keine Option sein. Der Finanzsektor muss seine Verantwortung bei der Bewältigung der aktuellen Krisen übernehmen.

Seit Jahren weist Greenpeace darauf hin, dass sich der Luxemburger Finanzsektor zwar gerne ein grünes Image gibt, seiner Verantwortung für den weltweiten Klimaschutz und die nachhaltige Entwicklung jedoch nicht gerecht wird. Anfang 2021 hatte Greenpeace darauf hingewiesen, dass die 100 größten Luxemburger Investmentfonds in Richtung 4°C Klimaerwärmung investieren und so das 1.5 Grad-Ziel drastisch verfehlen.

Doch Politik und Finanzindustrie ziehen es vor, die Probleme auszusitzen. Dabei gibt es gute Gründe für ein ambitioniertes Handeln.

Die Klimakrise und ihre Folgen

In Luxemburg war 2022 mit einer Durchschnittstemperatur von 10,9°C das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Anfang 2023 lagen die Temperaturen landesweit über 10°C, das sind rund 15°C über dem historischen saisonalen Durchschnitt. Laut einer Studie der Europäischen Umweltbehörde waren hierzulande zwischen 1980 und 2020 extreme Klima- und Wetterereignisse für 130-170 Tote und Schäden in Höhe von zwischen 596 und einer Milliarde Euro verantwortlich. Europaweit werden dem Klimawandel über 500 Milliarden Euro an wirtschaftlichen Schäden und über 140.000 Tote zugeschrieben.

Die derzeitigen weltweiten Klimaschutzmaßnahmen werden voraussichtlich zu einer Erwärmung um etwa 2,7°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau führen. Mit jedem Bruchteil eines Grades Erwärmung sind weltweit Millionen Menschen mehr lebensbedrohlichen Hitzewellen, Nahrungsmittel- und Wasserknappheit und Überschwemmungen an den Küsten ausgesetzt, während Millionen weiterer Säugetiere, Insekten, Vögel und Pflanzen verschwinden.

Unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat uns drastisch die Folgen unserer Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas vor Augen geführt. Teure Energieimporte, u.a. aus Staaten, die die Menschenrechte nicht respektieren, und die Gefährdung der Energieversorgungssicherheit führen auch hierzulande zu existentiellen Problemen für Bürger:innen, Handwerk und Industrien. Wir können diese Probleme lösen, wenn wir unseren Energieverbrauch reduzieren und die benötigte Energie sauber und weitestgehend lokal produzieren. Doch jeder Euro, der heute in fossile Energien investiert wird, fehlt beim Ausbau einer sauberen Energieversorgung.

Members of Parliament are greeted by a 2,5m tall Tyrannosaurus Rex placed by Greenpeace Luxembourg activists in front of Cercle Cité. Designed by local artist Eric Mangen, the installation includes a message with the demand to stop funding fossil energy. The artist strongly supports Greenpeace Luxembourg’s campaign against the dirty investments of the Luxembourg pension fund “Fonds de compensation”, commonly known as FDC.

Systemische Risiken durch Investitionen in nicht transformierbare Unternehmen

Kohle-, Öl- und Gasunternehmen und andere kohlenstoffintensive Industrien haben mit Hinblick auf das Pariser Klimaschutzabkommen keine Zukunft mehr. Investitionen in diese Industrien sind mit finanziellen Risiken verbunden, sie können zu sogenannten “Stranded Assets” werden. Die luxemburgische Volkswirtschaft, die besonders vom Finanzsektor abhängig ist, setzt sich erheblichen systemischen Risiken aus. Die Luxemburger Zentralbank kommt in einer Analyse zum Schluss, dass “Transitionsrisiken den Finanzplatz erheblich beeinträchtigen könnten, wenn die Umweltpolitik und -maßnahmen verschärft werden.” 

Greenwashing ist ein Risiko für den Finanzplatz

Luxemburg soll als Zentrum für nachhaltiges Investieren etabliert werden. Denn immer mehr Investoren wollen “grün” investieren, und auch Kleinanleger interessieren sich zunehmend für “grüne Finanzprodukte”.

Ein “Mystery Shopping” bei sechs Luxemburger Banken kam zu dem Ergebnis, dass den Testkund:innen zwar “klimafreundliche” Investmentfonds angeboten wurden, jedoch keiner dieser Fonds die Ziele des Pariser-Klimaabkommens respektieren konnte. Bereits 2021 kam eine Greenpeace-Studie zu dem Ergebnis, dass sogenannte Nachhaltigkeitsfonds kaum mehr Kapital in die nachhaltige Entwicklung lenken als konventionelle Fonds.

Eine Recherche mehrerer europäischer Medien hat über 800 sogenannte “Artikel 9-Fonds” mit einem verwalteten Vermögen von über 600 Milliarden Euro analysiert. Dabei handelt es sich um die angeblich nachhaltigsten Fonds in Europa. Allein in Luxemburg gab es Ende Juni 2022 673 solcher dunkelgrüner Fonds. Das Resultat: In über 40 Prozent dieser Fonds wurden Investitionen in fossile Brennstoffunternehmen oder die Luftfahrtindustrie gefunden. Bei den Anlegern wächst die Sorge, Opfer von Greenwashing geworden zu sein.

Greenwashing führt zu Vertrauensverlust bei den Anlegern, hinzu kommen potenzielle legale Risiken. Greenwashing stellt somit ein erhebliches Risiko für das Geschäftsmodell “Green Finance” dar.

Der Finanzsektor muss seiner Verantwortung beim Umbau unserer Gesellschaft gerecht werden

Zur Bewältigung von Klimakrise, mangelnder Energiesicherheit und steigenden Lebenshaltungskosten müssen wir in energieeffiziente Technologien investieren und den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv beschleunigen. In der EU sind zusätzliche Investitionen in Energiesysteme und Infrastrukturen in Höhe von jährlich 260 Milliarden Euro erforderlich, um die Klimaziele bis 2050 zu erreichen. Doch staatliche Gelder allein werden nicht ausreichen, um unsere Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden. Institutionelle Investoren und Vermögensverwalter sind mächtige nichtstaatliche Akteure, ohne deren Handeln der notwendige Infrastrukturwandel nicht zu realisieren ist. Dem Luxemburger Finanzplatz kommt daher bei der Energietransition eine enorme Bedeutung zu.

Zwar hat Luxemburg das Pariser Klimaschutzabkommen ratifiziert, demzufolge auch die Finanzströme in Einklang mit den Zielen des Abkommens gebracht werden sollen. Dennoch investiert unsere Finanzindustrie weiter Unternehmen, deren Geschäftsmodelle nicht mit den Paris-Zielen vereinbar sind. Selbst der staatliche Pensionsfonds FDC nimmt es beim Klimaschutz nicht so genau. Der Fonds investierte 2020 auf einem 2,7°C-Pfad. Millionen Euro öffentlicher Gelder wurden in fossile Energieunternehmen und in Firmen, die die Menschenrechte verletzen, investiert. Luxemburgs grünes Image scheitert auch daran, dass die Regierung es versäumt, den 26 Milliarden schweren Pensionsfonds zu einer ambitionierten Nachhaltigkeitsstrategie zu verpflichten.

Für 2023 fordert Greenpeace von Regierung und Finanzsektor, Verantwortung zu übernehmen und durch ambitionierte Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Krisen beizutragen. Dies ist von globaler Bedeutung, für das Klima, für die Menschen und nicht zuletzt auch für den Finanzsektor selbst.